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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erhob sich höflich.
    Die beiden Damen kamen langsam näher, grüßten durch eine leichte Verbeugung und baten um Entschuldigung, daß sie störten.
    „O bitte“, antwortete er. „Gottes Welt ist für jedermann offen, und ich habe kein anderes Recht auf diesen Platz als Sie. Gewiß ist Ihnen das Wasser dieser Quelle gerühmt worden?“
    „Allerdings“, antwortete Zykyma, die von beiden den meisten Mut besaß.
    „Dann bitte, sich niederzulassen und mir zu erlauben, auch wieder Platz zunehmen.“
    Er deutete auf die umherliegenden, mit Moos überzogenen Felsbrocken, auf deren einem er gesessen hatte, und sie setzten sich nun alle drei nieder.
    „Vermute ich recht, wenn ich meine, daß Sie Sommergäste des Bades Wiesenstein sind?“ fragte er höflich, indem er sich Mühe gab, seiner Stimme einen weichen, weiblichen Klang zu verleihen, was ihm dadurch gelang, daß er nur in halbem Ton sprach.
    „Wir sind Bewohnerinnen von Wiesenstein, nicht Sommergäste“, antwortete Zykyma. „Meine Freundin hier ist die Gemahlin des Malers Normann, und ich bin bei ihr auf Besuch. Aber Sie gehören wohl zu den Badegästen?“
    „O nein. Ich bin auf Besuch bei dem Kastellan dieses alten Schlosses, der mein Verwandter ist.“
    „Dann sind Sie zu beneiden, am romantischsten Orte der ganzen Gegend wohnen zu dürfen.“
    „Das ist wahr, zumal ich mich außerordentlich für solche Überreste vergangener Zeiten interessiere. Die Tage, an denen ich mich periodisch hier befinde, gehören stets zu den glücklichsten des ganzen Jahres für mich.“
    „Aber einsam muß es sein, sehr einsam.“
    „Das suche und liebe ich eben. Ich bin so halb und halb Dichterin und belebe mir diese Einsamkeit mit allerhand lichten Gestalten meiner Phantasie. Droben zum Beispiel durch die Ruinen wallt die leuchtende Schleppe einer Fee. Drunten im Grund, dem diese Wellen entgegeneilen, tanzen Elfen ihren munteren Reigen, und allerlei Gnomen und Heinzelmännchen kriechen hier in den Klüften und Höhlen herum.“
    „Gibt es denn auch Höhlen hier?“
    „Einige. Man sagt sogar, daß das ganze Schloß unterhöhlt sei. Das Wasser dieser Quelle zum Beispiel entstammt nicht der tiefen Erde, sondern es entfließt dem Schloßbrunnen, der längst nicht mehr gebraucht wird.“
    „Ich habe sehr oft von so alten Schlössern und Burgen gelesen. Ich interessiere mich außerordentlich für sie“, meinte Zykyma, die, je länger sie mit dem maskierten Verbrecher sprach, desto mutiger wurde, und jetzt dessen Absichten entgegenkommen wollte.
    „So sind wir vollständig gleich gestimmt“, entgegnete der Derwisch. „Es weht ein Hauch der Wehmut um solche Stätten, an deren Toren die Sage Wache hält. Das sind so die rechten Orte für den Dichter, überhaupt für den Künstler und also auch für den Maler. Hat Ihr Herr Gemahl diese Ruinen noch nicht besucht, Frau Normann? Er könnte prächtige Sujets hier finden.“
    „Leider ist er Porträtmaler.“
    „Ach so! Aber auch der Porträtmaler muß sich mit der Natur befassen. Er braucht oft einen interessanten Hintergrund, der seinem Porträt als Folie dient. Denken Sie sich dort das dunkle, von Efeu überzogene Gemäuer als Hintergrund, und vorn die leuchtende, strahlende, taufrische Gestalt einer Nixe, die träumend hier an der murmelnden Quelle liegt. Das müßte doch prächtig sein. Oder nicht?“
    „Ja. Sie scheinen ein gutes, kritisches Auge zu besitzen.“
    „O nein. Ich schwärme bloß zuweilen ein wenig. Oder denken Sie sich das gutmütige Gesicht eines alten, freundlichen Heinzelmännchens, das dort hervorguckt, wo die gelb blühenden Königskerzen sich an den weißen Stein legen. Es ist, als ob diese Kerzen emporgesproßt seien, um den Ort zu zeigen, an dem die Edeldamen die Burg verließen, wenn sie beabsichtigen, sich im Wald oder auf der Wiese zu ergehen.“
    „Ist denn dort ein Ausgang? Man sieht ja nichts von ihm.“
    „Es ist ein heimlicher. Wissen Sie, wie ihn das Edelfräulein nötig hatte, um sich mit dem armen Pagen, der sie nicht lieben durfte, unter dem Schutz des Geheimnisses ein Rendezvous zu geben.“
    „Interessant, sehr interessant.“
    „Nicht wahr? Sie möchten wohl das Schloß gern einmal durchstreifen?“
    „Sehr gern, wenn uns die Erlaubnis nicht versagt wird.“
    „Oh, was das betrifft, so brauchten Sie sich gar nicht zu sorgen. Ich bin zu jeder Zeit bereit, Sie zu führen und überallhin zu begleiten. Mein Vetter hat mir ein für alle Mal die Erlaubnis dazu erteilt.“
    „Sie

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