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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sind sehr freundlich, Madame. Aber wir dürfen Sie nicht belästigen.“
    „Bitte, eine Belästigung ist es keineswegs. Ich stand soeben, als Sie kamen, im Begriff, in das Schloß zurückzukehren. Ich wollte nach dem Schlafgemach der letzten Landgräfin, welches reich nach orientalischem Geschmack eingerichtet ist, denn ihr Gatte hat aus einem Türkenkriege die ganze Einrichtung eines Harems mitgebracht. Diese Ausstattung ist noch vorhanden. Haben Sie schon einmal eine solche Einrichtung gesehen?“
    „Niemals.“
    „So entschließen Sie sich schnell, meine Damen“, sagte er. „Meines Verweilens ist nicht mehr lange. Wenn Sie das Schloß beschauen wollen, so führe ich Sie gern.“
    „Nun, da werden wir von Ihrem freundlichen Anerbieten Gebrauch machen“, entgegnete Zykyma.
    „Schön! Bitte, kommen Sie.“
    Der maskierte Verbrecher führte die Damen darauf den Wall empor bis an die äußere Ringmauer. Dort standen die Königskerzen, und dort wucherte ein dichtes Brombeergesträuch. Ein langer Ast lag handlich daneben. Der Derwisch ergriff ihn und fuhr damit in das Gesträuch, um es beiseite zu schieben.
    Da wurde eine Öffnung sichtbar, in die steinerne Stufen hinabführten.
    „Das ist der Eingang hier?“ fragte Tschita. „Er ist so schaurig.“
    „Nicht im geringsten. Steigen Sie nur einige Stufen hinter mir hinab, dann brenne ich die Laterne an.“
    Der Derwisch verschwand in dem Loch, und sie folgten ihm langsam.
    Als es dunkel um sie wurde, leuchtete vor ihnen ein Zündholz auf, mit dessen Hilfe der Führer die Laterne anzündete.
    Nun ging es eine Reihe von Stufen hinab. Dann betraten sie einen bequemen Gang, der in waagerechter Richtung weiterführte. Später kam eine Tür, die nicht verschlossen war. Hinter derselben gelangten sie nun in den Gang, in dem sich die beiden Verliese befanden.
    Hier blieb der Derwisch stehen und fragte in freundlichem, neckischem Ton:
    „Nun, fürchten Sie sich auch jetzt noch?“
    „Nein“, antwortete Zykyma. „Wenn man sich erst an das Dunkel gewöhnt hat, dann ist die Angst vorüber.“
    „Ja, es ist gar nicht so unheimlich hier, wie man denken sollte, zumal man von Schritt zu Schritt auf lauter Interessantes stößt. Hier gelangt man zum Beispiel an einen sehr berühmten Ort, von dem die alte Schloßchronik berichtet, die ich Ihnen nachher vorlegen werde. Wir kommen zu den Kerkern des Liebespaares. Die Tochter eines der Schloßherren liebte nämlich einen Knappen. Beide wollten nicht voneinander lassen; darum sperrte der Ritter sie in diese unterirdischen Verliese. Sie blieben dennoch dabei, ein Herz und ein Gedanke bleiben zu wollen. Da sagte er voller Spott, er wollte täglich kommen, um nach ihren Gedanken zu forschen; wenn sie beide einen Monat lang genau dieselben Gedanken hätten, so sollten sie einander bekommen.“
    „Sie waren doch durch den dicken Fels getrennt? Dann war es unmöglich, sich zu verständigen.“
    „Hm! Oft ist das Unmögliche möglich zu machen. So auch hier. Wenn nämlich die beiden an einem ganz bestimmten Punkt ihrer Verliese standen, so konnten sie einander ganz deutlich hören, selbst wenn sie nur flüsterten, und zwar trotz der zwischen ihnen liegenden Felsenmasse.“
    „Das ist doch nicht zu glauben!“
    „O doch. Sowie der Ritter die Klappen öffnete, die sich in den Türen befanden, so stellten beide sich auf die betreffenden Stellen. Gab nun seine Tochter auf seine Fragen Antwort, so hörte der Knappe jeden Laut. Und legte dann der Ritter ihm dieselben Fragen vor, so antwortete er genauso wie seine Geliebte. Soll ich Ihnen den Beweis für die Wahrheit dieser alten Geschichte erbringen?“
    „Wir bitten darum!“
    „Schön! Kommen Sie!“
    Der Derwisch führte die Damen nun weiter bis zu dem Verlies, dessen Tür, wie bereits erwähnt, offenstand, zeigte ihnen dasselbe und dann auch das andere, leuchtete in beide hinein und fragte:
    „Finden Sie vielleicht etwas Fremdartiges in dem Bau dieser Zellen?“
    „Nein, gar nicht. Ich behaupte, daß man sich unmöglich hören kann. Es ist doch wenigstens zwanzig Schritte weit bis hin zur anderen Zelle. Und dazwischen liegt dicker, harter Felsen!“
    „Und doch ist's so! Bitte, Frau Normann, treten Sie doch einmal ein. Stellen Sie sich gerade in die Mitte der Zelle! Fräulein Zykyma mag dies dort in der anderen tun! Dann flüstern Sie leise miteinander. Sie werden jedes Wort so laut vernehmen, als ob es gerufen worden sei, während ich nicht einen Laut höre.“
    Tschita trat

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