54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
eine Ähnlichkeit obwaltete. Aber auslachen lassen wollte er sich doch nicht. Es gab noch immer einen Grund, den Mann festzuhalten. Darum sagt er, indem er die Brauen finster zusammenzog:
„Von einer Tollheit ist keine Rede. Solche Reden muß ich mir verbitten!“
„Pah! Nimm es mir nicht übel, mein Freundchen, Iwan Skobeleff für einen Flüchtigen zu halten, das ist mir denn doch zu viel!“
„Kannst du mir das Gegenteil beweisen? Ich werde ihn arretieren. Wenn ich es auch aus purer Freundlichkeit einmal gelten lasse, daß er dein Verwandter ist und daß ich mich geirrt habe, so hat er doch die Waffe gegen mich gezogen und gedroht, auf mich zu schießen, auf mich, den Vertreter der kaiserlichen Polizeigewalt. Da muß ich ihn arretieren, und er wird seine Strafe erleiden.“
In diesem Augenblick kam Gisa, der zu Fuß war und sein Pferd hinter sich herzog. Auch jetzt spielte der Bauer seine Rolle gut. Er tat einige Schritte auf den Nahenden zu und fragte:
„Was ist das? Wer kommt denn da? Ist das nicht Gisa, unser Freundchen? Aber ihr seid erst so kurze Zeit fort von hier. Wie kommt es, daß du bereits wieder hier am Mückenfluß bist?“
Damit reichte Peter Dobronitsch dem Tungusen die Hand und drückte sie herzlich, und auch Frau und Tochter bewillkommneten Gisa freundlich.
„Frage den da“, entgegnete dieser, indem er auf Georg von Adlerhorst deutete. „Mit ihm bin ich gekommen. Ich bin sein Wegweiser gewesen.“
„Ah, so ist es! Das freut mich sehr! Dafür muß ich dir dankbar sein. Kommt nur herein in das Haus, damit ich euch Speise und Trank vorsetzen kann.“
Sie folgte ihm alle. Nur der Wachtmeister blieb, der natürlich wußte, daß die Einladung ihm nicht mitgegolten habe. Ingrimmig gab er seinem Pferd die Sporen, ritt von dannen und brummte unterwegs:
„Verdammtes Volk! Da habe ich mich wieder blamiert! Aber wartet nur! Heute abend werde ich euch alle mit dem Boroda erwischen!“
Peter Dobronitsch hatte inzwischen seine Gäste in die Stube geführt und bot ihnen den Willkommenstrunk. Dann erzählte er Georg lachend, auf welche verschmitzte Weise Gisa ihn über seinen Begleiter instruiert und ihn selbst und seine Familie zu der gelungenen Komödie veranlaßt habe, mit der sie den Wachtmeister so gründlich getäuscht hatten.
Auch Georg berichtete nun in kurzen Umrissen, was sich bis zu seinem Fortritt in Platowa ereignet hatte. Die Anwesenden hörten ihm aufmerksam zu und erkannten, daß er ein mutiger, hochbegabter Mann sein müsse, da er es gewagt hatte, in dieser Weise mit dem Rittmeister und dem Kreishauptmann anzubinden.
Als Georg seine Erzählung beendet hatte und er auch mit dem Essen fertig war, reichte Peter Dobronitsch ihm nochmals die Hand und sagte:
„Ich verspreche dir, daß du sicher über die Grenze kommen wirst, so viel an uns liegt. Du wirst dich dabei in zahlreicher Gesellschaft befinden, und der Anführer, dem ihr zu folgen habt, ist ein berühmter Mann. Alexius Boroda, der Zobeljäger.“
„Von dem habe ich gehört. Er soll ein so berühmter Jäger sein wie unsere Nummer Fünf. Wann wird er kommen?“
„Er ist bereits da und befindet sich ganz in der Nähe. Doch heute erwarte ich ihn noch nicht. Er wird sich wahrscheinlich bis morgen oder übermorgen verstecken, da er annehmen kann, daß der Wachtmeister heute seine Augen hier offenhält.“
Dobronitsch schilderte darauf kurz das Renkontre, das Alexius Boroda und er selbst vorhin mit dem Wachtmeister und dessen Kosaken gehabt hatten, und schloß seinen Bericht mit den Worten:
„Nun aber wirst du mir verzeihen, wenn ich dich bitte, dich in dein Versteck zu begeben. Es sind fast zwei Stunden vergangen, seit der Wachtmeister fort ist. Er könnte doch Anzeige gemacht haben und mit Kosaken zurückkommen, um dich zu holen.“
Als Georg nun begann, sich von den Anwesenden zu verabschieden, sagte Mila in bittendem Ton:
„Liebes Väterchen, willst du mir nicht erlauben, daß ich den Herrn führe?“
„Warum du?“
Da flüsterte sie ihm in das Ohr:
„Karpala liebt ihn, und ich möchte so gern mit ihm von ihr sprechen.“
„So gehe mit ihm. Du weißt ja alles so genau wie ich.“
Natürlich verabschiedete sich Georg mit ganz besonderer Herzlichkeit von seinem Führer Gisa, dem er so sehr zu Dank verpflichtet war, und erhielt von diesem die Zusicherung, daß er ihn in seinem Versteck besuchen werde. Dann brach Georg mit Mila auf.
Sie gingen miteinander an dem Brunnen vorüber und dann zwischen Büschen
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