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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zweige der Tanne erblickte, rief er:
    „Mein Gott! Worauf stehst du denn?“
    Mila befand sich nämlich seitwärts von ihm, und es sah aus, als ob sie in der Luft schwebe.
    „Auf festem Boden“, antwortete sie. „Versuche es nur auch! Taste einmal mit den Füßen! Du brauchst dich nicht mehr festzuhalten.“
    Georg kam ihrer Aufforderung nach und fühlte steinigen Boden.
    „Was ist denn das?“ fragte er. „Hat man denn auf die Äste Treppenstufen gelegt?“
    „O nein! Von Treppenstufen ist keine Rede. Du bist in unserem Versteck. In der senkrechten Felsenwand, an die sich die Tanne dicht und fest anlehnt, befindet sich hier oben eine Höhle. Zwei Äste des Baums sind in dieselbe hineingewachsen, derjenige, auf dem du stehst, und derjenige, an dem du dich festgehalten hast. Mit Hilfe dieser beiden Äste bist du in die Höhle gekommen und kannst dich jetzt ruhig auf den steinigen Grund stellen.“
    „Ach, das ist allerdings einzig! Das ist wirklich hochinteressant!“
    „Nicht wahr? Nun sage mir, ob ein Mensch, der nach unserem Versteck suchen wird, es finden kann?“
    „Niemals! Aber wie habt ihr denn diese Höhle kennengelernt? Natürlich durch einen Zufall?“
    „Ja. Ein Tunguse hat sie entdeckt, als er einen Bären verfolgte. Das Tier kletterte auf die Tanne und verschwand hier in der Höhle. Aber komm weiter!“
    Mila schritt mit dem Licht voran, und Georg folgte ihr. Der Gang, in dem sie sich befanden, war vielleicht eine drei Meter lange Felsenspalte, die sich nach oben immer mehr zuspitzte. Sie schien mehr als doppelte Mannshöhe zu haben.
    Plötzlich blieb Mila stehen und setzte sich auf einen Stuhl, auf einen wirklichen Stuhl.
    Sie hatte bisher die Hand so vor das Licht gehalten, daß er zwar hineinsehen konnte, aber nicht bemerkte, was sich vorn befand. Jetzt gewahrte er, daß die Spalte plötzlich weiter wurde, und als er sich umschaute, sah er, daß er sich in einem Felsgemach befand, in dem ein Tisch mit fünf oder sechs Stühlen stand!
    „Nun, wie gefällt es dir hier?“ fragte sie.
    „Wunderbar“, antwortete er. „Wer hätte das gedacht!“
    „Du wirst noch mehr sehen. Jetzt aber vor allen Dingen muß ich wissen, wer du bist.“
    Mila griff in eine Nische, nahm ein Buch, ein Tintenfaß und ein Gestell für Stahlfederhalter heraus und stellte oder legte die Gegenstände auf den Tisch.
    Dann sagte sie:
    „So! Bitte, schreibe deinen Namen ein!“
    „Gern, zeig her!“
    Georg setzte sich auf den Stuhl, öffnete das Buch, zog das Licht näher herbei und begann in dem Buch zu blättern. Welche Namen standen da! Fürsten und Grafen, Gelehrte und Ungelehrte, Künstler und Handwerker hatten sich hier eingetragen, und daneben waren Bemerkungen und Reime in den verschiedensten Sprachen aufgezeichnet.
    Auch der junge Mann trug unter den letzten der Namen den seinen ein.
    Wie erstaunte er, als Mila jetzt das Buch nahm und, nachdem sie kaum hineingeblickt hatte, laut und deutlich las: „Georg von Adlerhorst!“
    „Wie? Du kannst Deutsch lesen?“ fragte er. „Wer hat es dich gelehrt?“
    „Meine Mutter. Sie ist eine Deutsche, bei Königsberg geboren. Sie wird sich wundern und herzlich freuen, wenn sie erfährt, daß du ein Landsmann von ihr bist. Aber jetzt sind wir hier fertig. Folge mir weiter!“
    Damit ergriff Mila das Licht, führte den Flüchtling weiter in den Gang hinein, der sich nach einer kleinen Weile abermals verbreiterte und ein bedeutend größeres Gelaß zu bilden schien, und sagte:
    „Ich werde die Lampe anbrennen,“ sagte Mila.
    „Auch eine Lampe! Diese Höhle scheint ja ganz artig eingerichtet zu sein!“
    „Nach unsern Kräften. Bitte, mache einmal die Augen zu!“
    Er tat ihr den Willen. Er hörte abermals, daß sie ein Hölzchen anstrich. Ein Glaszylinder klang; dann sagte sie:
    „Jetzt mach sie wieder auf!“
    Er öffnete die Augen. Was sah er?
    Er befand sich in einer – Bibliothek! Ja, wirklich in einer Bibliothek! Der Raum war ziemlich genau viereckig. An den vier Seiten ragten gefüllte Büchergestelle fast bis zur hohen Decke empor, und mehrere Tische und Bänke boten zahlreichen Lesern bequemen Raum zur Benutzung der Bücher. In der Mitte aber hing eine große Petroleumlampe von der Decke hernieder, deren Licht den Raum so erleuchtete, daß man überall lesen konnte.
    „Aber Mila!“ rief Georg. „Ist denn so etwas möglich! Oder träume ich?“
    „Ja, du siehst, daß wir uns Mühe geben, es unseren heimlichen Gästen so angenehm wie möglich zu machen.

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