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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geglückt. Haben Sie keine Sorge um mich! Bin ich einmal erst bei meinem Pferd, so befinde ich mich in Sicherheit.“
    „»So wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie glücklich bei den Ihrigen ankommen mögen. Ich wollte, ich könnte mit, um Ihnen vielleicht dienlich sein zu können.“
    „Danke! Bleiben Sie lieber in Ihrem Versteck. Man soll das Unglück nicht herausfordern. Jetzt aber leben Sie wohl, lieber Freund. Auf Wiedersehen in nächster Nacht.“
    „Auf Wiedersehen!“
    Georg trat in die Höhle zurück und Boroda stieg an der Pechtanne hinab.
    Als er unten anlangte und unter dem Schutz des Baums hervortrat, bemerkte er erst, wie hell es bereits war. Doch gar so spät war es nicht. Es mochte eine halbe Stunde nach Tagesanbruch sein.
    Boroda schlich sich vorwärts, nach dem Hof zu. Er wollte nicht eher von hier fortgehen, als bis er wußte, ob sich die Folgen des nächtlichen Abenteuers bereits bemerkbar gemacht hätten.
    Als er am Brunnen angelangt war, sah er nirgends eine Spur, daß die Spritze und der Schlauch hier in Tätigkeit gewesen seien. Die beiden Fensterflügel des Stübchens waren noch angelehnt. Brot und Speck lagen noch da, und der Branntwein stand dabei. Es war klar, daß noch alles schlief und daß der fromme Nachbar und der Kosakenwachtmeister sich noch in der Räucherkammer befanden.
    Aber wo war der Bauer?
    Boroda huschte nach der Giebelseite, um nach dem Fenster von Peter Dobronitsch zu blicken. Es war zu. Der Bauer hatte sich nach seinem Stübchen begeben und war ganz gegen seine Absicht eingeschlafen.
    Da hörte Boroda eine wunderliebliche Frauenstimme. Sie erklang hinter dem Haus, und er verstand ganz deutlich die gesungenen Strophen:
    „O komm, Geliebter, kehre wieder!
Was tat ich dir, daß du entfloh'n?
O komm, dich rufen meine Lieder;
Gib mir nicht Tod zum Minnelohn!
    Noch gestern kämpft' in Ahnungsbangen
Mein Herz; es bangte ihm nach dir.
Du sähest nicht die feuchten Wangen.
O komm zurück, o komm zu mir!“
    Er kannte diese Stimme. Er hatte sie ja gestern gehört, als er lauschend hinter dem Gesträuch des Brunnens stand. Behutsam schlüpfte er bis zur Ecke hin und blicke um dieselbe.
    Mila stand im Gärtchen hinter dem Haus, pflückte sich einen Morgenstrauß und sang dazu:
    „Ich möchte deinen Worten lauschen
der holden Liebe süßem Ton.
Wir werden nie sie kosend tauschen,
Sie sind auf immer hingefloh'n.
    O möcht' ich doch noch lächelnd schauen;
Ich fühle mich so wohl bei dir.
Dir weiht' ich Liebe und Vertrauen;
O komm zurück, o komm zu mir!“
    Sie betrachtete die Blumen mit schwermütigem Blick. An wen dachte sie? Wer war es, den sie mit diesem sehnsuchtsvollen Lied meinte? Sie war so schön, so morgenfrisch wie die Blumen, die sie in den Händen hielt. Aber auf ihrem lieben Gesichtchen lag es wie Trauer und ungestilltes Verlangen, als sie in ihrem Gesang fortfuhr:
    „O komm! Die seligsten der Tage,
Sie strahlen dann im Morgenlicht.
Weiht' ich nicht meine Liebe, sage,
Weiht' ich dir meine Seele nicht?
    Wenn Kummer deinen Blick getrübet,
Teil' ich gern deinen Schmerz mit dir.
Kein Herz so treu wie meins dich liebet.
O komm zurück, o komm zu mir!“
    Mila schlang den Arm um den Stamm eines Baums, lehnte das Köpfchen an denselben und blickte nach Osten, wo eine bleiche Röte verkündete, daß die Sonne zum Horizont emporsteigen wolle. Wen suchte sie dort? Wollte sie nur das Gestirn des Tages schauen? Galt nur diesem der Ruf: ‚O komm zurück, o komm zu mir‘? Oder dachte sie an etwas anderes, an jemand, der – ja, der sich nicht dort im Osten befand, sondern ganz in ihrer Nähe stand?
    Boroda tat einige schnelle Schritte und trat hinter ein Strauchwerk, das ihn vor ihren und auch vor jeden anderen Blicken verbarg. Er wollte ihr antworten. Aber durfte er das? Befand er sich nicht in größter Gefahr? Doch die beiden Feinde waren ja in der Räucherkammer eingesperrt und weiter ja niemand zu fürchten. Boroda erhob also seine Stimme und sang in jenen schmelzenden Tönen, die nur wenigen Kehlen verliehen sind:
    „Wenn dich in wehmutsvollem Sehnen
Getrennter Liebe Gram besiegt
Und dir in hoffnungslosem Wähnen
Dein Glück in weiter Ferne liegt,
Was ist's, das dann des Herzens Sehnsucht heilt?
Ein Blick dorthin, wo der Geliebte weilt.“
    Boroda sah, daß Mila beim Klang der ersten Worte erschrocken zusammenzuckte. Dann aber ging ein Schimmer der Freude über ihr rosiges Angesicht, als er weitersang:
    „Wenn dich der Taumelkelch der Freude,
Geleert beim

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