54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
hinreichend Platz biete.
„So bin ich zufrieden, wenn es dir genügt“, meinte der Bauer. „Wann aber gedenkst du deine Leute herzubringen?“
„In der nächsten Nacht. Ich werde sie bis in die Nähe führen und mich zunächst allein herbeischleichen, um zu rekognoszieren. Dann kann ich, je nach den gegebenen Umständen, handeln.“
„Nun gut, so wollen wir jetzt gehen. Ich nehme natürlich an, daß auch du noch während der Dunkelheit aufbrechen wirst, um von niemandem gesehen zu werden.“
„Ja. Aber dazu habe ich noch genügend Zeit. Laß mich jetzt noch eine kurze Zeit hier. Ich möchte mich mit meinem Landsmann noch ein wenig unterhalten. Es ist so lange her, daß ich einen Deutschen getroffen habe.“
„Ganz wie du willst. Ich weiß den Weg genau und brauche keine Laterne. Ich werde sie dir hierlassen, damit du dich später beim Abstieg ihrer bedienen kannst.“
Als Peter Dobronitsch ging, blieben die beiden anderen miteinander noch in der Bibliothek sitzen. Sie sprachen zunächst über das wunderbare Versteck, in dem sie sich befanden, und über das Erlebnis des heutigen Abends.
Dann erzählte Boroda von seinen Familienverhältnissen, und als er nun berichtete, daß der einzige Bruder seines Vaters, namens Samuel, vor Jahren einer unglücklichen Liebschaft wegen nach Amerika ausgewandert sei, um dort Präriejäger zu werden, da wurde die Vermutung Georgs, daß Sam Barth ein Onkel des Zobeljägers sei, zur Gewißheit. Es ließ Georg nun keine Ruhe. Sein gutes Herz, der Wunsch, Alexius eine Freude zu bereiten, zwangen ihn, dem jungen Manne zu offenbaren, daß er den Onkel von ihm kenne und daß Sam Barth mit seinen Freunden Jim und Tim Snaker schon in nächster Zeit nach dem Mückenfluß kommen werde.
„Mein Oheim, mein Oheim! Mein Gott, welche Freude! Welch ein großes Glück!“ rief da Boroda und schritt entzückt in der Bibliothek hin und her. Dann ergriff er Georgs beide Hände und fragte: „Und Sie wissen ganz genau, daß er hierher nach dem Mückenfluß kommen wird?“
„Er hat es versprochen.“
„So bringt mich keine Macht der Erde von hier fort, bis er eingetroffen ist. Mein Oheim hier, mein Oheim! Welch ein Ereignis! Wir werden mein Vater und meine Mutter sich freuen!“
„Sie sind beide hier?“
„Ja. Als mein Vater verbannt worden war, ist ihm meine Mutter mit mir freiwillig gefolgt, und als ich dann groß wurde und mich für die Zobeljägerei entschieden und mir genug verdient hatte, um die Reisekosten bestreiten zu können, befreite ich den Vater und entfloh mit ihm und der Mutter. Viele Flüchtlinge, die wir trafen, schlossen sich uns an. Viele wurden unterwegs von uns befreit, und jetzt sind wir hier. Das ist, in kurzen Worten erzählt, mein Lebenslauf. Wir wollen nun nach Deutschland. Ob wir es erreichen werden, daß weiß Gott der Herr allein. Aber daß ich meinen Oheim finde, hier in Sibirien finde, das scheint mir ein Fingerzeig zu sein, daß unsere Flucht gelingen wird. Aber, Herr, eins müssen Sie mir versprechen. Sagen Sie meinem Onkel nicht, daß Sie seinen Neffen getroffen haben.“
„Sehr gern. Sie wollen wohl sehen, ob die Stimme des Herzens bei ihm nicht ganz von selbst zu sprechen anfängt?“
„Ja.“
„Nun, dann müssen Sie auch mir ein ähnliches Versprechen geben. Sie dürfen auch Ihren Eltern nichts sagen, daß Sie erwarten, Ihren Oheim zu treffen. Ihre Hand darauf!“
„Hier! Topp!“
Sie schlugen ein, und es schien sich ganz von selbst zu verstehen, daß sie sich noch weiter von dem erzählten, was Georg von Sam Barth wußte und mit ihm gesprochen hatte.
Sie saßen noch längere Zeit beisammen, bis Boroda in allem Ernst daran dachte, sich endlich auf den Weg zu machen. Georg begleitete ihn hinaus, und da bemerkten sie zu ihrer Überraschung, daß der Tag bereits angebrochen war.
„Sapperment! Da habe ich mich freilich verspätet!“ sagte Boroda. „Das ist mir unlieb.“
„Nun können Sie wohl gar nicht fort?“
„Ich muß!“
„Aber man wird Sie sehen!“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Noch ist es so sehr früh am Tage, daß Alles noch schläft.“
„Hier, ja. Aber je weiter Sie gehen, desto später wird es, und dann werden Sie unterwegs ganz sicher Menschen begegnen.“
„Ich weiche ihnen aus.“
„Das läßt sich nicht allemal tun.“
„O doch! Ich bin ja gestern auch am hellen Tag hier gewesen, ohne daß mir Etwas geschehen ist.“
„Aber der Wachtmeister hat Sie doch fangen wollen.“
„Es ist ihm nicht
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