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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lärmvollen Fest,
Die Heiligkeit geschworner Eide
Sekundenlang vergessen läßt,
Was ist's, was ferne Herzen dann vereint?
Ein Blick dorthin, wo der Geliebte weint.“
    Ihr Gesicht nahm jetzt einen ganz anderen Ausdruck an. Der Zug der Freude verschwand aus demselben. Sie schien daran zu denken, was derjenige, den sie sogleich an seiner Stimme erkannte, wagte, wenn er hier sang. Er aber fuhr unbeirrt fort:
    „Wenn finstre Stunden ohne Segen
Dir ungegrüßt vorübergehn,
Und auf des Lebens Dornenwegen
Dir keine Freudenblumen stehn,
Was ist's, was mächtig deinen Busen hebt?
Ein Blick dorthin, wo der Geliebte lebt.“
    Boroda besaß eine prachtvolle Stimme. Er dämpfte ihre Mächtigkeit zu süßem, leisem Wohllaut und schloß jetzt mit der letzten Strophe:
    „Wenn deiner Liebe Wonneblüten
Des Lebens grauser Sturm verweht,
Und da, wo tausend Sonnen glühten,
Der letzte Schimmer untergeht,
Was tröstet dich, wenn hier dein Glück zerfällt?
Der frohe Blick in eine bessere Welt.“
    Und nun trat er unter den Sträuchern hervor auf Mila zu. Eine glühende Röte bedeckte ihre Wangen, als sie ihn kommen sah.
    „Mila, bist du über mich erschrocken?“ fragte er. „Bin ich denn ein so schlimmer Gesell, daß man über mich erschrecken muß?“
    „O nein, nicht darüber, daß du es bist, bin ich erschrocken, sondern darüber, daß du dich hier befindest. Ahnst du denn nicht die Gefahr, die hier auf dich lauert?“
    „Oh, die kenne ich so gut, daß ich ganz genau weiß, daß ich sie nicht zu fürchten brauche.“
    „Nein; da kennst du sie nicht. Der Wachtmeister ist schrecklich!“
    Boroda lachte fröhlich auf.
    „Mila, du hast recht, er ist schrecklich. Wenn du ihn nachher erblickst, wirst du sehen, daß er noch schrecklicher ist, als du gedacht hast.“
    „Weißt du denn, daß ich ihn erblicken werde?“
    „Ja, denn er befindet sich ganz in der Nähe! Frage deinen Vater, der wird ihn dir zeigen!“
    „Das klingt wie eine Heimlichkeit!“
    „Es ist auch eine, und zwar eine sehr köstliche, mein liebes Schwesterchen!“
    „Und es scheint, daß du mit meinem Väterchen gesprochen hast?“
    „Ja, und zwar heute nacht. Du wirst aber davon keinem Menschen etwas sagen. Nicht wahr, Mila?“
    „Kein Wort. Hätte ich gewußt, daß du hier warst, so hätte ich keinen Augenblick schlafen können.“
    „So besorgt bist du um mich?“
    Boroda blickte Mila mit einem eigentümlichen Ausdruck an, so daß sie verlegen den Blick senkte.
    In diesem Augenblick trat um die Ecke des Hauses Peter Dobronitsch. Als er die beiden erblickte, drohte er mit dem Finger und sagte in ernstem Ton:
    „Um Gottes willen, was fällt euch ein! Ich denke, du bist längst fort. Nun es so hell geworden ist, möchte ich dich gar nicht fortlassen. Man wird dich unterwegs sehen.“
    „Ich werde dafür sorgen, daß dies nicht geschieht.“
    Da legte Mila ihr Händchen auf Borodas Arm und bat:
    „Bleibe hier! Da bist du in Sicherheit.“
    „Liebes Schwesterchen, ich darf nicht“, entgegnete er. „Es warten viele auf mich, die sich sehr um mich sorgen würden, wenn ich nicht käme.“
    Und dem Bauern die Hand gebend, fuhr Boroda fort:
    „Wo kann ich dich heute um Mitternacht sehen?“
    „An der Pechtanne.“
    „Gut! Da kannst du mich erwarten. Lebe wohl, Väterchen; lebe wohl, Schwesterchen!“
    Boroda ging und verschwand hinter der Hecke, die den kleinen Garten einfaßte.
    „War er schon lange bei dir?“ fragte jetzt der Bauer seine Tochter.
    „Nein. Er war soeben erst zu mir getreten.“
    „Er ist zu verwegen, hier am hellen Morgen zu singen! Wenn das ein Kosak gehört hätte, so wäre es um ihn geschehen gewesen.“
    „Aber der Wachtmeister ist ja da!“
    „Hat er dir das gesagt, und weißt du auch, wo er sich befindet?“
    „Nein. Er hat mich an dich gewiesen, als ich fragte.“
    „Das war recht. Höre, Kindchen, du darfst nichts wissen, gar nichts, weder jetzt noch später. Du wirst den Wachtmeister sehen und noch einen; aber du darfst nicht ahnen, durch wessen Schuld sie – – – ah, horch! Ich höre Pferde kommen. Laß sehen, wer es ist.“
    Peter Dobronitsch eilte nach der vorderen Front des Hauses und erblickte zwölf Reiter, die mehrere hochbeladene Packpferde bei sich hatten. Einer derselben, der abseits von den anderen hielt, schien der Anführer zu sein.
    „Wem gehört dieses Haus?“ fragte dieser.
    „Mir“, antwortete der Bauer.
    „Wie ist dein Name?“
    „Peter Dobronitsch.“
    „So sind wir an unserem Ziel. Du

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