54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
geradezu unglaublich, daß dieser Steinbach in Sibirien sein kann. So ein Deutscher, der –“
„Pah!“ unterbrach der Derwisch den Grafen. „Soll er etwa, weil er ein Deutscher ist, nicht hierherkommen? Gerade diese verfluchten Deutschen sind es, denen man auf Schritt und Tritt und an allen Ecken und Enden begegnet.“
Dann lachte er höhnisch auf und fuhr fort:
„Graf Polikeff, du bist wirklich nicht so klug, wie ich dachte. Hast du vergessen, daß Steinbach den Diener Nena damals in der Wüste gerettet hat? Er hat alles erzählt, um sich Steinbach dankbar zu erweisen.“
„Ich glaube es nicht.“
„Nun, ich bin gewöhnt, mit allen Ziffern zu rechnen. Ich weiß, daß Nena ursprünglich ein guter Kerl war. Nur dein Geld hat ihn verführt. Dann hast du es ihm schlecht gelohnt und ihn an die Araber verkauft –“
„Um ihn loszuwerden.“
„Natürlich. Das aber hat er dir natürlich übelgenommen und dir dafür Rache geschworen. Da wurde er von Steinbach, deinem Todfeind, errettet. Was ist einfacher, als daß er aus Dankbarkeit für ihn und aus Rache gegen dich ihm alles verraten hat?“
„Mensch, so wie du es darstellst, ist die Sache freilich plausibel. Nena weiß allerdings, daß der Maharadscha sich als Verbannter hier in Sibirien befindet.“
„Ja. Was ist die Folge? Steinbach wird nach Sibirien kommen, um ihn zu befreien und um Gökala zu heiraten!“
„Lieber töte ich sie! Der Gedanke, daß Steinbach sie findet, könnte mich wahnsinnig machen. Ich möchte am allerliebsten gleich wieder zurück, um sie von dem Kreishauptmann, wo ich sie untergebracht habe, nachzuholen.“
„Schau! Erst glaubst du mir kein Wort, und jetzt bist du ganz Feuer und Flamme! Was willst du denn eigentlich hier am Mückenfluß? Was könntest du in Sibirien zu tun haben? Wen könntest du suchen? Es ist kein anderer Mensch hier, für den du dich interessierst, als der Maharadscha.“
„Du bist wirklich scharfsinnig“, lachte der Graf.
Er wollte nicht zugeben, daß der Derwisch recht hatte. Aber sein Lachen klang so gepreßt, daß dieser sogleich bemerkte, daß er sehr richtig geraten hatte.
Beide waren so in ihr Gespräch vertieft, daß sie auf weiter nichts achteten, als daß sie weit genug von den übrigen standen. So hatten sie auch nicht bemerkt, daß der Zobeljäger Nummer Fünf sich erhoben hatte, um das Haus herumgegangen war und an der Ecke stehenblieb, an deren anderen Seite sie sich befanden.
Dort lehnte er sich scheinbar gleichgültig an die Wand und nahm eine Miene an, als ob er ganz in sich versunken sei.
Der Graf und der Derwisch, die nicht wußten, daß jemand dastand, sprachen so laut, daß er alles hörte.
„Nun, habe ich das Richtige getroffen?“ fragte der Derwisch.
„Nein, du irrst dich. Ich habe hier noch ganz andere Dinge zu tun. Was geht mich der Maharadscha an! Der ist abgetan. Ich weiß ja gar nicht einmal, wo er sich befindet.“
„So kann man ihn suchen.“
„Ich kenne keinen, der mir Auskunft geben könnte.“
„Mich täuschst du nicht. Nimm dich in acht, daß dir Steinbach nicht auf den Pelz kommt!“
„Er sollte es wagen! Ich würde ihn vernichten.“
„Warum hast du ihn da nicht schon längst vernichtet? Du hast ihn ja oft getroffen.“
„Streiten wir uns nicht! Ich vermute stark, daß wir uns ganz vergeblich seinetwegen ängstigen. Es fragt sich immerhin, ob er da ist.“
„Ich möchte darauf schwören. Was wollten jene Amerikaner hier, wenn er nicht bei ihnen wäre?“
„Vielleicht hast du sie verkannt.“
„Nein; das weiß ich ganz bestimmt.“
„Wo hast du sie denn gesehen?“
„Auf dem Jahrmarkte. Ich erblickte sie alle drei und hatte kaum Zeit, hinter einigen Zelten zu verschwinden und mich schleunigst davonzumachen.“
„Sie waren es wirklich?“
„Ja. Sie trugen sogar die Kleidung, in der ich sie drüben kennengelernt habe.“
„Sapperment! So ist es freilich wahrscheinlich, daß er sich auch in Platowa befindet. Hoffentlich bist du nicht von ihnen gesehen worden?“
„Ich möchte im Gegenteil behaupten, daß sie mich gesehen haben.“
„Das wäre dumm. So kannst du nur schleunigst aufbrechen, sonst erwischen sie dich!“
„Dasselbe ist auch mit dir der Fall. Ich habe mich, wie ich bereits sagte, sofort aus dem Staub gemacht, und es war ein Glück, daß ich mir einen tüchtigen Führer engagiert hatte.“
„Was beabsichtigst du denn eigentlich hier in Sibirien?“
„Zobel zu fangen. Die Hauptsache aber ist, daß ich wußte,
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