54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
eben damit du ihn nicht vorzeitig warnen kannst, werde ich dich hier anbinden. Weiter soll dir nichts geschehen. Ich hoffe, daß du es dir ruhig gefallen lassen wirst. Im anderen Fall würde ich natürlich Gewalt anwenden müssen.“
Jetzt brachte Jim die Magd herein. Sie hatte Lärm machen wollen, doch hatte der lange Amerikaner sie so sehr eingeschüchtert, daß sie sich ruhig verhielt. Ihr Gesicht war vor Entsetzen ganz entstellt.
Der lustige Sam band zwei Stühle mit den Lehnen zusammen. Die beiden Frauen mußten sich darauf setzen, mit den Rücken gegeneinander, und dann wurden sie zusammengebunden.
„So!“ lachte er. „Nun könnt ihr meinetwegen ruhig sitzen bleiben oder wie ein Doppelfrosch in der Stube umherspringen. Die Läden will ich aufmachen. Wenn es Tag ist, und dieselben bleiben zu, könnten die guten Bewohner der Stanitza denken, es sei euch ein Unfall zugestoßen. Und das ist doch gar nicht der Fall.“
Er schob die Läden auf. Dann verlöschte er das Licht, und bald darauf verließen sie das Haus auf demselben Weg, auf dem sie es zuerst betreten hatten.
„So“, sagte Sam dann. „Das ist gelungen. Ich möchte dabeisein, um zu sehen, wie die beiden Weibsbilder in der Stube herumflattern wie ein Doppeladler, dem die Flügel gebunden sind.“
Sie begaben sich natürlich zunächst dahin, wo der betreffende Verbannte Sams Rock niedergelegt hatte, mit dem der Dicke jetzt den Mantel vertauschte. Dann kehrten sie nach dem Gut ihres Wirtes Dobronitsch zurück.
Dort suchten sie zunächst den Brunnen auf, um sich auf das sorgfältigste von dem Ruß zu befreien. Als dies geschehen war, begab sich Sam mit Jim nach Hause, während die anderen das bekannte Versteck aufsuchten.
In der Wohnstube brannte Licht. Mila und ihre Mutter waren noch wach. Die Sorge um ihren Mann und Vater hatte sie nicht ruhen lassen. Sam begab sich zu ihnen, um sie zu beruhigen. Er teilte ihnen mit, daß die Verbannten entkommen seien und daß für den Bauern nichts zu befürchten sei.
Dann begab er sich hinüber zu Tim, bei dem sich Jim bereits befand. Dort vernahm er, daß der in der Räucherkammer befindliche Florin sich ruhig verhalten habe. Nun öffnete er die Tür ein wenig, um sich zu überzeugen, daß derselbe wirklich auch anwesend sei, schob dann den Riegel wieder vor und legte sich zum Schlafen nieder. Er bedurfte nach den Anstrengungen des vergangenen Tages der Ruhe. – – –
Auch die Bäuerin war, halb und halb befriedigt von Sams Worten, in ihre Schlafstube gegangen, um zu versuchen, ob sie ein wenig ruhen könne. Mila aber war aufgeblieben.
Es stürmte jetzt so vieles auf sie ein. Vom Schlafen war bei ihr keine Rede. Sie nahm eine kleine weibliche Arbeit vor, aber bald merkte sie, daß ihr dazu auch die Sammlung fehle. Es ging eben nicht.
Darum begab sie sich hinaus, um zu versuchen, sich durch einen Gang in der kühlen Morgenluft zu beruhigen.
Ganz unwillkürlich richtete sie ihre Schritte nach der Pechtanne.
Ihr Herz trieb sie an der Riesentanne empor. Sie hütete sich aber, sich darüber Rechenschaft zu geben.
Die oben befindlichen Personen schliefen. Es war alles still und finster in der Höhle. Mila durchwandelte leise die einzelnen Räume bis hinaus in den Krater, in dessen Tiefe soeben der Strahl des jungen Morgens drang.
Sie stieg an der Kraterwand empor, um von da oben aus einen Blick nach dem Fluß zu werfen. Die Ufer desselben waren in dichten Nebel gehüllt. Sie setzte sich daher nieder, um zu warten, bis die Nebel sich verziehen würden.
So saß sie lange, lange. Schon erhob sich die Sonne im Osten, und unter dem Einfluß ihrer Wärme stiegen die feuchten Schwaden über den Fluß empor und wurden von dem erwachenden Wind erfaßt und wie wirbelnde Wolken davongewälzt.
Jetzt war das Ufer des Flusses zu erkennen. Dort, wo die Fähre am Land lag, sah Mila die Kosaken, die die betreffende Stelle noch immer besetzt hielten.
Eben wollte sie sich erheben, um sich wieder zu entfernen, als sie Schritte hinter sich hörte. Sich umblickend, gewahrte sie Alexius Boroda, den Zobeljäger, der leise emporgestiegen war und sich ihr nun langsam näherte.
„Guten Morgen, Mila Dobronitscha!“ grüßte er. „Ist es erlaubt, zu dir zu kommen?“
„Wer sollte es dir verwehren?“ fragte sie, indem sie errötete.
„Aber unangenehm ist es dir doch, daß ich dich hier störe. Ich sehe es dir an, daß du zornig bist. Du wurdest ganz rot vor Ärger, als du mich sahst.“
Jetzt errötete sie noch
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