54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
tiefer als vorher.
„Es fällt mir gar nicht ein, dir zu zürnen. Im Gegenteil habe ich dich um Verzeihung zu bitten. Vielleicht habe ich dich durch mein Kommen im Schlaf gestört. Ich kam hier herauf, um zu versuchen, ob ich meinen Vater vielleicht erblicken könne.“
„Ich hörte von meinem Oheim, daß dein Vater sich bei den Kosaken befindet. Hast du Angst um ihn?“
„Ja.“
„Dazu ist keine Ursache vorhanden. Im Gegenteil ist der Umstand, daß er sich während der ganzen Nacht neben dem Major befunden hat, sehr vorteilhaft für ihn. Er könnte anderenfalls sehr leicht in den Verdacht kommen, daß er sich an dem Streich beteiligt habe, den die Verbannten den Kosaken gespielt haben. Nun aber ist es ja erwiesen, daß er sich nicht bei ihnen befunden hat. Mein Oheim hat dies so schlau einzurichten gewußt, daß ich ihn bewundern muß.“
„Du sprichst von einem Streich. Was haben die Verbannten getan?“
„Erlaube mir, darüber zu schweigen. Es ist viel besser, wenn du nichts davon weißt, denn da kannst du etwaige Fragen unbefangen beantworten.“
„So will ich nicht in dich dringen. Sage mir nur das eine, ob es wahr ist, daß diese ‚armen Leute‘ wirklich entkommen sind!“
„Es ist wahr.“
„Gott sei Dank! Ich gönne es ihnen von ganzem Herzen. Warum aber bist du nicht mit ihnen? Wenn du heute nacht mit den anderen gegangen wärst, so befändest du dich nun auch mit ihnen in Sicherheit.“
„Nun, so groß ist diese Sicherheit nicht. Sie haben noch viele Gefahren vor sich, denn der Weg, der vor ihnen liegt, ist entsetzlich lang. Mein Oheim aber versichert mir, daß ich bei ihm nichts, aber auch gar nichts zu befürchten habe.“
„Er ist ein seltener Mann, und ich glaube, daß er weiß, was er sagt. Es sollte mich sehr freuen, wenn es wahr wäre, daß alle Gefahren für dich vorüber sind. Du wirst gewiß mit deinem Oheim in sein Vaterland gehen?“
„Ja, meine Eltern sind entschlossen dazu.“
„So werden wir sehr weit voneinander leben.“
„Ist es so gewiß, daß ihr nur bis in die Gegend von Moskau gehen werdet?“
„So lag es bisher im Plan meines Vaters.“
„Und du denkst, daß er denselben nicht ändern wird?“
„Schwerlich. Wo sollte er sonst hin?“
„Mit uns.“
Mila blickte befremdet zu Alexius auf.
„Mit euch? Nach Deutschland? Was sollte ihn dazu bewegen?“
„Deine Mutter ist doch eine geborene Deutsche. Sie würde sich vielleicht glücklich fühlen, die übrige Zeit ihres Lebens in der Heimat verbringen zu können.“
„Das ist wahr. Sie liebt Deutschland, sehnt sich nach demselben und spricht gar viel von ihm. Aber das ist doch noch kein triftiger Grund, Rußland ganz und für immer zu verlassen.“
„Hm! Vielleicht könnte ein viel, viel triftigerer Grund gefunden werden.“
Alexius blickte lächelnd zu Mila nieder, dann fuhr er fort:
„Du solltest dir einen Deutschen zum Mann nehmen, dann wäre ein sehr guter Grund vorhanden.“
Mila senkte erglühend das Köpfchen.
„Ich habe überhaupt noch gar nicht daran gedacht, mir einen Mann zu nehmen.“
Sie blickte Alexius nicht an. Ihre Wangen waren wie mit Blut übergossen.
„Mila Dobronitscha, ist das wahr?“ fragte er. „Sollte noch keiner gekommen sein, um sich deine Hand zu erbitten?“
„Allerdings war einer da.“ Sie lachte dabei lustig auf. „Vorgestern, als du zum ersten Mal hier gewesen warst, da kam Nachbar Sergius Propow, um bei den Eltern um mich zu werben. Er wurde jedoch abgewiesen und steckte dann in der Räucherkammer, als du mich gestern früh im Garten trafst. Er ist ein Mensch, den niemand leiden mag. Seine Frau würde es wie in der Hölle bei ihm haben.“
„Und ihr Mädchen möchtet es doch wie im Himmel haben. Nicht?“
„Nun“, scherzte sie, „ein wenig gut möchte man es doch wohl haben.“
„Einverstanden! Beide müssen sich gegenseitig glücklich machen. Nehmen wir zum Beispiel ein russisches Mädchen an. Dieses kann nur dann glücklich werden, wenn es einen deutschen Burschen heiratet.“
„So! Und wie steht es denn mit den Deutschen?“
„Ein deutscher Bursche kann nur dann glücklich werden, wenn er sich ein russisches Mädchen nimmt.“
„So mußt du dir also eine Russin nehmen.“
„Ich habe mich freilich schon längst nach einer Russin umgeschaut und sie auch gefunden.“
„Und wie lange ist dies her?“ fragte Mila.
„Nur sehr kurze Zeit. Vorgestern erblickte ich sie zum ersten Mal bei Peter Dobronitsch vor dem Haus.“
„Ach, wohl
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