55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
absolut tödlich. Warum hatte der Bruder diesen Dolch mit sich genommen? Sie erriet es. Sie wußte, daß er kein Herz, kein Gemüt hatte; sie kannte ihn als einen harten Egoisten, der selbst ein Menschenleben nicht schonen würde, wenn dasselbe seinen Zwecken im Weg stand. Er hatte seine kalte, allen Gefühlen bare Herzlosigkeit ja schon bereits in seinem Verhalten gegen sie und die Mutter bewiesen.
Als sie drüben wieder die eigene Wohnung betrat, forschte sie vergebens in den edlen Zügen des Geliebten. Sie konnte nicht das mindeste Zeichen von Angst oder Besorgnis in ihnen entdecken. Sie gaben nur den frohen Ausdruck des unendlichen Glücks wieder, welches sein Inneres erfüllte, und sein Auge lachte ihr so offen und unbefangen entgegen, daß sie beinahe überzeugt war, sie allein sei es, welche erraten habe, in welcher Gefahr er stehe.
Sollte sie ihn warnen? Sollte sie eine frohe, glückliche Stimmung vernichten? Sollte sie vielleicht ohne allen Grund und alle Ursache ihren Bruder, der so schon in so tiefem Mißkredit stand, auch noch in den Verdacht des Meuchelmordes bringen? Sollte sie glauben, daß Königsau ihr wirklich die Wahrheit gesagt habe und den Panzer nur zufällig trage? Oder hatte er, ohne daß sie wußte, auf welche Veranlassung hin, ganz denselben Verdacht geschöpft, den auch sie hegte? Hatte er es vorgezogen, ihr davon keine Mitteilung zu machen, weil er sie nicht beängstigen wollte? Diese Fragen gingen durch ihre Seele, während sie sich möglichst heiter mit ihm unterhielt, um ihre Unruhe zu verbergen.
Aber da kam ihr ein Gedanke. Hatte Königsau wirklich Verdacht geschöpft, so trug er nicht nur den Panzer, sondern jedenfalls noch eine andere Waffe bei sich. Es ergab sich sehr bald ein Grund, sich zu entfernen, und so griff sie im Vorzimmer in die Taschen seines Mantels, welcher dort hing. Sie waren leer. Bereits wollte sie sich beruhigen, da aber dachte sie daran, daß er eine Verteidigungswaffe wohl kaum in den Mantel stecken werde, den er überwarf, und dessen Taschen also nur unbequem zu erreichen seien. Eine Waffe steckt man nur dahin, wo man sie augenblicklich ergreifen kann.
Darum kehrte sie in den Salon zurück, ohne ganz befriedigt zu sein; aber als er einmal neben ihr stand und seinen Arm um sie legte, lehnte sie ihr Köpfchen zärtlich an seine Schultern und fuhr leise und wie liebkosend an seiner Brust herab. Ja, da fühlte sie es. In seiner Brusttasche, welche sehr tief zu sein schien, stak eine Pistole. Sie fühlte die Umrisse desselben ganz genau, ohne daß er es bemerkte, wie ihre Hand mehrere Male leise tastend zu dieser Stelle zurückkehrte.
Jetzt nun wußte sie, daß er ihren Verdacht teilte, und nun trieb es sie, zu sprechen. Sie pflegte vor ihrer Mutter kein Geheimnis zu haben, und so ließ sie sich von der Gegenwart derselben nicht beirren. Sie legte die Hand an seine Tasche und fragte:
„Was hast du hier verborgen, lieber Hugo?“
Er bemerkte erst jetzt, worauf ihre Aufmerksamkeit gerichtet gewesen war; er konnte eine kleine Verlegenheit nicht verbergen, antwortete aber anscheinend unbefangen:
„Hier in dieser Tasche? Das ist meine Pistole, Kind.“
„Eine Pistole? Warum hast du sie bei dir?“
„Aus bloßer Gewohnheit. Du wirst glauben, daß wir Offiziere gewöhnt sind, Waffen zu führen, zumal in einer Stadt, welche wir erobert haben, und deren Bewohner uns infolgedessen wohl nicht sehr freundlich gesinnt sein werden.“
„So hegst du Besorgnis?“
„Das eigentlich nicht, aber wir stehen auf dem Kriegsfuß und sehen uns vor, selbst wenn wir Zivil angelegt haben. Du weißt ja, daß ihr selbst bei der Demonstration letzthin in Gefahr gekommen seid. Und wieviel mehr müssen wir, die Feinde, Veranlassung haben, auf der Hut zu sein.“
„Denkst du dabei an eine bestimmte Persönlichkeit?“
„Nein, Margot.“
Er gab sich Mühe, so aufrichtig wie möglich zu erscheinen, und es gelang ihm dies ziemlich gut, so daß sie wirklich annahm, daß er aus allgemeiner Vorsicht die Waffe zu sich gesteckt habe. Aber sie war dennoch nicht vollständig befriedigt und fragte:
„Hast du vielleicht einen persönlichen Feind, dem du nicht traust?“
„Ich glaube nicht.“
„Und mit dem Panzer ist es so, wie du mir vorhin erzählt hast?“
„Gewiß, mein liebes Kind.“
„Einen Panzer?“ fragte da die Mutter. „Was ist's mit dem Panzer?“
„Oh“, antwortete Margot, „Hugo trug einen Panzer, als er kam. Er hat ihn im Vorzimmer abgelegt, liebe
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