55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
desselben prüfend an den Finger.
„Er ist spitz wie eine Nadel, in der Wunde umgedreht und dann abgebrochen, bringt er den unvermeidlichen Tod. Hätte ich den Schurken doch bereits vor mir stehen!“
Aber er mußte sich gedulden, bis ihm die Schatten sagten, daß Königsau jetzt aufbrechen werde. Nach einiger Zeit sah er ihn drüben aus dem Tor treten, welches sich hinter ihm schloß.
„Es wird sich dir nicht wieder öffnen! Aber die Pforte der Hölle mag dir offenstehen!“
Er hätte diese Worte am liebsten laut ausgerufen, um seinem ergrimmten Herzen Luft zu machen; aber er mußte schweigen, um sich nicht zu verraten. Wäre es Tag gewesen, so hätte man seine Augen blutgierig funkeln und seine Lippen sich zu jenem häßlichen Fletschen öffnen sehen, welches ihm im Fall des Zorns so eigentümlich war.
Er legte die Hand fester um den Griff des Dolchs und wollte seinem Opfer folgen, aber bereits nach dem ersten Schritte blieb er überlegend wieder halten.
„Alle Teufel“, brummte er, „meine Stiefelsohlen knarren! Dies würde mich unfehlbar verraten. Daß ich auch nicht daran gedacht habe! Ich muß die Stiefel ausziehen. Aber sie mit mir tragen? Sie würden mich hindern. Soll ich sie hier im Torweg stehen lassen? Es ist ja finster hier. Aber nein. Es könnte jemand aus- oder eingehen wollen und sie finden, und dies könnte mich verraten. Bei solchen Gelegenheiten muß man vorsichtig sein. Ich werde sie doch mit mir nehmen. Trage ich sie in der linken Hand, so hat die Rechte genug Kraft und Spielraum, einen guten Stoß auszuführen.“
Er zog die Stiefel rasch aus, nahm sie in die Linke und huschte über die Straße hinüber, um dem Lieutenant zu folgen, von welchem er sich in solcher Entfernung hielt, daß er die Gestalt desselben trotz der Dunkelheit gerade noch zu erblicken vermochte.
In der Straße, welche er selbst bewohnte, wollte er den Überfall nicht ausführen, um allen Möglichkeiten im voraus vorzubeugen.
„Ich werde ihn gerade in das Herz treffen“, sagte er sich. „Er wird niederstürzen, ohne einen Laut auszustoßen. Dann beraube ich ihn. Wenn ihm, sobald er gefunden wird, die Börse fehlt, samt der Uhr und den Ringen, wo wird man einen Raubmord annehmen und nicht denken, daß ein Akt der Rache vorliegt.“
So hatte er die Hälfte der Straße passiert, als er bemerkte, daß Königsau stehenblieb. Sofort hielt auch er seine Schritte an. Die Gier, mit welcher er an seine dunkle Tat dachte, ließ es gar nicht zu, den veränderten Ton von des Lieutenants Schritten zu bemerken, der doch Margot sogleich aufgefallen war. Er folgte dem Verhaßten weiter und konnte dies scheinbar sicher, da zur damaligen Zeit die Straßenbeleuchtung in Paris sehr im argen lag. Es brannte keine einzige Laterne.
Da, als die Straße bereits zu Ende war, schien es ihm an der Zeit zu sein. Er eilte rascher vorwärts, bis er den Lieutenant so weit erreicht hatte, daß die Entfernung zwischen ihnen höchstens noch vier Schritte betrug. Jetzt erhob er scharf den Blick, um den Stoß mit Sicherheit von hinten führen zu können, wäre aber fast erschrocken zurückgeprallt, denn er bemerkte, daß Königsau rückwärts gegangen war und nun, daß Gesicht ihm zugewendet, stehenblieb, um ihn zu empfangen.
„Wer da! Was wollen Sie?“ fragte der Lieutenant mit lauter Stimme.
Die Bestürzung des Kapitäns hatte nur einen Augenblick gedauert. Jetzt galt es, trotzdem der Feind vorbereitet war, das Werk zu vollbringen. Er hielt den letzteren für unbewaffnet und im Nachteil bei einem etwaigen Ringen, und ebenso glaubte er, nicht erkannt zu werden, da es ja dunkel war. Übrigens, was lag daran! Wenn er ihn auch erkannte, ein Toter kann keinen Namen ausplaudern.
„Dich, du Hund!“
Indem er diese Worte mit verstellter Stimme als Antwort rief, warf er sich mit erhobenem Dolch auf Königsau. Der Stoß fuhr hernieder; aber zum Schrecken des Angreifers gab er einen lauten, metallenen Ton und fand einen festen Widerstand. Der Dolch glitt ab und fuhr in den Arm des Lieutenants. Dieser hielt mit der Linken den Angreifer beim Arm und rief:
„Töten will ich dich nicht, aber sehen will ich, wer du bist!“
Er drückte hart vor dem Gesicht des Meuchlers seine Pistole ab. Der Schuß blitzte auf und erleuchtete für einen Augenblick das Gesicht desselben hell.
„Ah, Kapitän, ich dachte, daß Sie es seien! Fliehen Sie, sonst erhalten Sie meine zweite Kugel!“
Mit diesen Worten schleuderte er den von der Pistolenflamme halb
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