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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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also stärker, so daß man ihm leicht folgen kann. In der Fabrik werden wir dann sehen, in welche gefährlichen Stoffe er geleitet wurde.“
    Da antwortete der Kapitän mit großer Schnelligkeit:
    „So lange darf ich Sie nicht abhalten, Monsieur. Nun wir den Draht gefunden haben, ist das übrige leicht; dazu habe ich Arbeiter mehr als genug. Sie aber haben sich zunächst Alexander zu widmen.“
    Müller verstand den Alten. Dieser wollte ihn, den Deutschen, nicht in das Getriebe seiner Pläne blicken, am allerwenigsten aber ihn den aufgestapelten Munitionsvorrat sehen lassen. Er tat, als ob er dies nicht ahne und kehrte in sein Zimmer zurück, zufrieden, den Beifall des Schloßherrn gefunden zu haben.
    Der Doktor suchte Alexander auf, um ihn zu einem abermaligen Spaziergang aufzufordern. Der Knabe willigte sehr gern ein, und unterwegs fand Müller, daß dieser sich immer fester an ihn schloß.
    „Wissen Sie, Monsieur“, sagte Alexander, „daß man gezwungen ist, Sie lieb zu haben?“
    „Warum?“
    „Weil man Unglück hat, wenn man Sie haßt. Die beiden, von denen Sie beleidigt wurden, sind bereits bestraft. Der eine hat sich erschossen, und der andere sitzt mit einer bösen Gesichtswunde im Gefängnis. Ich werde die Leute warnen, Ihr Feind zu sein. Besonders werde ich dies Marion sagen.“
    „Marion? Wer ist das?“ fragte Müller, sich verstellend.
    „Marion ist meine Schwester, meine Halbschwester; aber sie ist doch so gut, als ob sie meine richtige Schwester wäre. Ich habe ihr sehr viel Kummer bereitet; meist darum ging sie fort, denn ich verklagte sie immer bei Mama und bei dem Großpapa. Aber als ich gestern abend schlafen ging, habe ich sehr lebhaft an sie gedacht, und da ist mir der Gedanke gekommen, daß ich recht schlimm gegen sie gewesen bin. Ich verspreche Ihnen, dies nie wieder zu tun, Monsieur!“
    „Warum haben Sie denn gerade gestern diesen Gedanken gehabt?“
    „Weil ich mit Ihnen spazieren gewesen bin. Sie predigen nicht; Sie geben keine guten Lehren, aber man fühlt bei Ihnen das, was Sie zu sagen unterlassen.“
    Müller antwortete nicht, doch bückte er sich nieder und küßte den Knaben auf die Stirn. Er fühlte sich innerlich beglückt, diese Seele, welche bereits auf falsche Wege geführt worden war, bereits nach einem einzigen Tag für das Gute gewonnen zu haben.
    Sie drangen heute viel tiefer in den Forst ein, als gestern, tiefer und immer tiefer, bis sie auf ein Wirrsal von Felsen stießen, aus denen ein alter Turm hervorragte.
    „Was ist das für eine Ruine?“ fragte Müller.
    „Das ist Alt-Ortry gewesen“, antwortete Alexander. „Jetzt ist nur dieser eine Turm noch übrig.“
    „Wollen wir ihn nicht besteigen?“
    „Ich möchte nicht.“
    „Warum nicht?“
    Der Knabe blickte ihm treuherzig in das Gesicht und antwortete:
    „Weil ich auch hier nicht gut gewesen bin. Großpapa hat mir verboten, diese Ruine zu betreten, und doch habe ich es oft getan. Nun aber möchte ich dies unterlassen. Aber wenn wir auch nicht hineingehen werden, das Grab können wir uns doch ansehen.“
    Er wand sich zwischen den Felsen hindurch, und Müller folgte, bis sie vor einem Hügel standen, der ungepflegt und mit allerlei Waldblumen bewachsen war. Daneben erhob sich ein mächtiger Felsblock, auf welchem die einfachen Worte: ‚Hier ruht Liama‘ kaum noch zu lesen waren.
    „Diese Liama war die Mutter Marions“, bemerkte Alexander. „Habe ich Ihnen übrigens bereits gesagt, daß Marion heute nach Hause kommt?“
    „Noch nicht.“
    „Ja, sie kommt. Wir hielten sie für tot, mit einem Dampfschiff untergegangen; aber am frühen Morgen kam eine Depesche, daß sie am Mittag hier sein wird. Sie bringt eine Freundin mit.“
    Der Knabe erzählte das in einem freundlichen, keineswegs aber herzlichen Ton. Die Bande dieser Familie waren ja sehr locker geschlungen.
    „Wie wird man die gnädige Baronesse empfangen?“ fragte Müller.
    „Empfangen?“ wiederholte Alexander verwundert. „Nun, die Diener werden ihr aus dem Wagen helfen, und dann geht sie nach ihrem Zimmer.“
    „Ohne daß man sich freut, daß sie kommt, und ihr dieses sagt?“
    Alexander sah ihn groß an und fragte dann.
    „Ja, freut sie sich denn auf uns?“
    „Gewiß sehr. Man müßte ihr nur zeigen, daß man sie liebt, daß sie willkommen ist.“
    „Das möchte ich ihr sehr gern zeigen; aber wie soll ich es anfangen?“
    Es tat Müller sehr weh, daß das Herz dieses begabten Knaben so ganz unbepflanzt geblieben war. Er legte ihm

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