55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Schloß bereits verlassen und schritt durch den Park dem Wald zu. Es trieb ihn hinaus in denselben aus verschiedenen Gründen. Er war jetzt noch Herr seiner Zeit; der Unterricht hatte noch nicht begonnen, und durch die Ankunft des Obersten waren die Schloßbewohner jedenfalls so in Anspruch genommen, daß seine Abwesenheit nicht mißfällig bemerkt werden konnte.
Er hatte Marion wieder gesehen, zwar nur auf einen Augenblick, aber dieser Augenblick hatte doch sein Herz erregt, daß er die Einsamkeit suchte, um den süßen Gedanken an die Geliebte nachhängen zu können. Die Beleidigung, welche ihm von dem Obersten widerfahren war, hatte ihn wenig berührt. Er wußte, daß die Zeit kommen werde, in welcher er mit diesem Mann zusammengeraten müsse, und er hielt sich für stark genug, diesen Zusammenprall siegreich auszuhalten.
So strich er langsam durch den Wald, nur mit seinen Gedanken beschäftigt und wenig auf seine Umgebung achtend, das Bild der Geliebten begleitete ihn. Er träumte mit offenen Augen. Er sah ihre herrliche Gestalt; er blickte in ihre köstlichen Augen, er hörte den seltenen Wohlklang ihrer Stimme, und es war ihm, als fühlte er ihren schwellenden Busen, geradeso an seinem Herzen, wie in den Augenblicken, in denen er sie von der Mosel nach dem Meierhof getragen hatte. Es verging Viertelstunde auf Viertelstunde, er achtete nicht darauf, denn für einen Menschen, dem unter den göttlichen Regungen einer gewaltigen, selbstlosen Liebe das Herz im Busen klopft, gibt es keine Zeit; er fühlt den Odem, den Hauch der Ewigkeit, in der Brust.
Da hörte er plötzlich eine sehr bekannte Stimme neben sich:
„Ah, Herr Doktor! Grüß Sie Gott!“
Er blickte auf. Vor ihm auf dem schmalen Waldpfad stand sein Diener Fritz, der ihn unter einem freundlichen Lächeln mit seinen guten, treuen Augen betrachtete und allerdings ohne seinen stattlichen Vollbart mit dem kecken Schnurrbart allein schwer zu erkennen war.
„Ah, Fritz, du?“ rief er. „Wie kommst du in den Wald, von Thionville her! So weit!“
„Der Herr Doktor haben wohl vergessen, daß ich jetzt Kräutersammler bin!“ antwortete der Gefragte. „Wir sind heute in Thionville angekommen, und da war Doktor Bertrand so vernünftig, mich sofort auf die Suche zu schicken.“
„Du triffst mich zufällig?“
„Ja; geradeso wie Sie mich“, lachte Fritz. „Sie kommen daher, die Augen am Boden, wie einer, welcher Kräuter sammelt; und ich kam herbei, die Augen am Boden, wie einer, dem eine gewisse Marion nicht aus dem Sinne will. Auf diese Weise kann man sich ja nur zufällig treffen.“
Der treue Diener wußte ganz genau, daß er sich seinem Herrn gegenüber schon eine Bemerkung erlauben durfte. Und wirklich tat Müller nicht im geringsten so, als ob er diese Worte mißfällig aufnehmen möchte. Vielmehr überflog er die Gestalt Fritzens mit einem lustigem Blick und sagte:
„Also wirklich bereits Kräutermann! Hast du Talent dazu?“
„Famos, Herr Doktor!“ Fritz nahm den Sack, welchen er auf der Achsel trug, herab, öffnete ihn und ließ Müller hineinsehen. „Da, gucken Sie! Dieser Sack ist bereits zur Hälfte voll. Moos, Tannenzapfen, Farrenkraut, Eichenlaub, Gras und Kohlrübenblätter. Das macht den Sack rasch voll. Was aber der Apotheker damit anfangen wird, das ist mir ganz gleich. Doktor Bertrand meinte, ich sei vollständig Herr meiner Zeit, doch wenn es paßte, so sollte ich ihm Ehrenpreis und Pfefferminze mitbringen; Véronique und Menthe poivré nennen sie es hier in Frankreich; da ich aber weder Pfefferminze, noch Ehrenpreis kenne, so habe ich einstweilen Tannenzapfen und Kohlrübenblätter genommen. Es wird niemand das Zeug brauchen, und darum stirbt auch niemand daran.“
Er band den Sack zu und warf ihn wieder über die Achsel. Müller meinte:
„Da hast du einen sehr nachsichtigen Prinzipal. Es kann ein Glück für uns sein, daß wir diesen Doktor Bertrand getroffen haben, obgleich es nicht mein Wunsch ist, meine Absichten von irgend jemandem durchschauen zu lassen.“
„Oh, Bertrand ist sicher; er verdient Vertrauen“, behauptete Fritz. „Ich kenne ihn erst seit kurzer Zeit, aber ich weiß bereits, daß er diese Franzosen haßt. Er muß irgendeinen besonderen Grund haben, ihnen nicht gewogen zu sein. Er errät freilich den Grund, der uns hierher geführt hat, aber ich möchte meinen Kopf zum Pfand geben, daß er uns förderlich, niemals aber hinderlich sein wird. Übrigens ist es gut, daß ich Sie treffe. Ich habe ja
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