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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schultern trug, abnahm und auf eine Treppenstufe legte, um sich daraufzusetzen. Er blieb in ihrer Nähe stehen, indem er sich an die Mauer lehnte.
    Draußen blitzte, donnerte und regnete es fort. Die beiden Menschen im Inneren des alten, verrufenen Turms beobachtete ein tiefes Schweigen, bis Marion endlich sagte:
    „Es scheint, daß wir bestimmt sind, uns nur immer bei Sturm und Wetter zu begegnen. Das jetzige Gewitter ist allerdings nicht ganz so fürchterlich wie jenes, welches uns auf der Mosel traf.“
    Was sollte er antworten? Er schwieg. Auch sie zögerte, fortzufahren, und erst nach einer längeren Pause sagte sie:
    „Warum verschwanden Sie so schnell von dem Meierhof?“
    „Da ich Sie unter sicherem Schutz wußte, hatte ich keinen Grund, zu bleiben“, antwortete er.
    Seine Worte hatten einen eigentümlichen Klang, aus welchem deutlich die Absicht einer Beziehung zu hören war, die sie nicht sogleich zu erraten vermochte. Sie gab sich weiter keine Mühe, nachzudenken, sondern fuhr fort:
    „Ich fand damals nicht Gelegenheit, Ihnen Dank zu sagen. Erlauben Sie, daß ich dies jetzt nachhole, Herr Doktor!“
    Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, diese schöne Hand, welche von einer solchen Weiße war, daß er sie trotz des herrschenden Dunkels ganz deutlich sehen konnte. Er legte seine Hand um ihre weichen, warmen Finger; er fühlte einen kräftigen Druck; sie zog die Hand nicht sogleich wieder zurück, sondern duldete seinen leisen Gegendruck; es war, als ob ein himmlisches Fluidum aus ihrer Hand in die seinige überströme und durch seinen ganzen Körper gehe; es war ihr, als ob die dumpfe Luft des Turms ganz plötzlich mit erquickendem Balsam geschwängert sei, er fühlte deutlich, daß sein Arm und seine Hand vor Wonne zitterten. Seine Finger legten sich, trotz aller Anstrengung, sich zu beherrschen, nochmals innig um die ihrigen – aber da zog sie schnell ihre Hand zurück. Zürnte sie ihm? Nein; denn im Ton ihrer Stimme lag nicht der leiseste Vorwurf, als sie jetzt sagte:
    „Ich erkundigte mich natürlich nach Ihnen, konnte aber leider nicht erfahren, wer Sie sind. Zwar schien es mir, als seien Sie dem Doktor Bertrand nicht ganz unbekannt, doch war derselbe sehr wortkarg. Um so mehr war ich heute verwundert, Sie als Gouverneur meines Bruders auf Schloß Ortry zu sehen. Kannten Sie mich bereits auf dem Schiff?“
    „Ja“, antwortete er, da es ihm unmöglich war, hier eine Unwahrheit zu sagen.
    „Warum ließen Sie mich nicht wissen, daß wir uns wiedersehen würden?“
    „Es gab keine Gelegenheit“, versuchte er sich zu entschuldigen.
    „Das mag sein“, antwortete sie mit heller Stimme. „Um so mehr freut es mich, Sie bei uns zu wissen. Ich kann natürlich noch nicht fragen, ob es Ihnen bei uns gefällt, denn Sie sind zu kurze Zeit hier; aber ich bitte Sie dringend, Kleinigkeiten zu überwinden, um der Liebe willen, welche Sie sich bei Alexander bereits erworben haben. Er hat mir mit wirklicher Begeisterung von der Probe erzählt, welcher Sie von Seiten meines Großpapas unterworfen wurden, und dieser letztere selbst gestand mir ein, daß Sie ein ausgezeichneter Fechter, Schütze und Reiter seien. Darum wundert es mich doppelt, daß – daß –“
    Sie hielt inne, und darum sagte Müller nach einem Weilchen:
    „Bitte, fahren Sie fort, gnädiges Fräulein!“
    Sie folgte seiner Aufforderung, indem sie erklärte:
    „Es wundert mich, daß Ihnen eine Fertigkeit fremd ist, welche fast jeder Mann besitzt.“
    „Welche?“
    „Diejenige des Billardspiels. Oberst Rallion erzählte nach Tisch eine Begebenheit, welche dies zu beweisen scheint. Übrigens“, fuhr sie mit erhobener Stimme fort, „sagen Sie mir doch einmal aufrichtig, warum Sie die Beleidigung dieses Herrn so ruhig hinnahmen!“
    Wäre es lichter gewesen, so hätte sie sehen können, daß ein eigentümliches Wetterleuchten über sein Gesicht ging. Er antwortete:
    „Darf ich bitten, mir die Antwort zu erlassen?“
    „Warum?“ sagte sie rasch. „Fürchten Sie sich vor ihm?“
    Er schwieg. Sie sah, daß er langsam unter die Tür des Turms trat, obgleich der Sturm die schweren Regentropfen hereintrieb. Sie erkannte, daß er eine mächtige, innerliche Empfindung unterdrücken müsse, ehe er ihr antwortete. So blieb er lange stehen. Der Donner rollte fort; der Orkan heulte; Müller wurde vollständig durchnäßt und schien es doch nicht zu bemerken. Da wurde ihr fast ängstlich zumute; sie erhob sich, berührte seinen Arm und

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