55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
meine Instruktionen erst von Ihnen zu erwarten.“
„Ich kann sie dir jetzt nur im allgemeinen, nicht aber speziell geben.“ Der Doktor trat in die angrenzenden Sträucher, um sich zu überzeugen, daß kein Lauscher vorhanden sei, kam dann zu Fritz zurück und fuhr fort: „Frankreichs Herrscher plant im stillen einen Krieg mit uns; er betreibt seine Anstalten sehr geheim, denn er beabsichtigt, uns zu überrumpeln, so daß seine Heeresmassen innerhalb einer Woche in Berlin sein können. Er glaubt, daß der Preußenhaß die Südstaaten abhalten werde, uns zu unterstützen, und wagt es, gerade hier an der Grenze riesige Vorbereitungen zu treffen, die es ihm ermöglichen sollen, mit ungewohnter Wucht sich auf uns zu werfen. Diese Vorbereitungen müssen wir belauschen; wir müssen sie kennenlernen, um unsere Gegenzüge tun zu können. Einer der Konzentrationspunkte dieser für uns so gefährlichen, geheimnisvollen Tätigkeit ist Ortry. Ich befinde mich hier, um zu beobachten, und du sollst mich unterstützen. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe.“
„Und das ist genug“, nickte Fritz, während über sein intelligentes Gesicht ein Zug heller Freude ging. „Ich bin ein Findelkind, ein einfacher Barbier- und Friseurgehilfe, aber ich will doch einmal sehen, ob ich nicht Augen habe, diesen klugen Großsprechern hinter die Karten zu gucken. Zeit genug habe ich ja dazu! Und ein Glück ist es, daß man mich nicht für einen Deutschen halten wird.“
„Wieso?“
„Nun, Doktor Bertrand hat mich als einen Schweizer aus Genf angemeldet. Sie wissen ja, daß ich zwei Jahre lang dort in Kondition war und mir soviel Französisch angeeignet habe, um für einen Genfer gelten zu können. Wie aber soll ich Ihnen mitteilen, was ich erfahre? Wo werde ich Sie treffen?“
„Du kannst mir schreiben, natürlich unter der Adresse des Doktor Andreas Müller. Wichtiges aber machen wir nur mündlich ab. Ich bewohne das oberste Zimmer des südwestlichen Eckturms des Schlosses. Von dort aus kann ich die große Linde, welche an der Straße von Thionville steht, deutlich erkennen. Lege dich unter dieselbe, wenn du mir etwas zu sagen hast. Man wird denken, du wollest dich ausruhen, und ich werde dich genau durch mein Fernrohr sehen. Du blickst durch das deinige nach meinem Fenster und sobald ich dir mit einem weißen Tuch das Zeichen gegeben haben werde, daß ich dich sehe, gehst du hierher, wo wir uns jetzt befinden; wir treffen uns hier. Das kann natürlich nur am Tag sein.“
„Aber abends?“ fragte Fritz.
„Kannst du mich in meiner Wohnung aufsuchen.“
„Man wird mich sehen.“
„Nein. Du wartest, bis alles schläft, und versicherst dich genau, daß du nicht bemerkt werden kannst. Dann steigst du an dem Blitzableiter der Mittelfront empor, kriechst über das Dach und klopfst leise an mein Fenster. Der Blitzableiter ist sehr fest, er hat auch mich bereits getragen.“
„Das ist bequem, und ich werde mir gleich morgen die Gelegenheit einmal ansehen.“
„Schließlich muß ich dich auf den alten Turm aufmerksam machen, welcher hier im Walde liegt –“
„Ich kenne ihn nicht.“
„Ich werde dir ihn jetzt zeigen. Man sagt nämlich, daß es dort umgehe; ich aber glaube, daß diese Geister von Fleisch und Blut sind. Ich kann des Nachts nur schwer das Schloß verlassen und möchte doch gerade zu dieser Zeit den Turm beobachten –“
„Gut, Herr Doktor, das werde ich also übernehmen“, meinte Fritz.
„Aber die Geister!“ lächelte Müller.
„Oh, ich habe einen Revolver, mit dem man Geister bannen kann! Übrigens tut es ein guter Prügel oder Knüppel wohl auch!“
„Jedenfalls. Doch wünsche ich nicht, daß du dich in Gefahr begibst. Unsere Beobachtungen müssen sehr geheim geschehen; es wäre mir also lieb, wenn die Geister dich gar nicht bemerkten.“
„Ganz wie Sie befehlen, Herr Doktor. Übrigens ist es möglich, daß wir uns doch einmal in Gegenwart anderer treffen und wohl gar sprechen müssen. Wie habe ich mich da zu verhalten?“
„Wir kennen uns nicht und reden nur französisch miteinander. Höchstens erinnern wir uns, einander während des Schiffbruchs gesehen zu haben. Jetzt aber komm, ich muß dir den Turm zeigen!“
Sie gingen weiter, gerade durch den Wald, und gelangten an das Felsengewirr, in dessen Mitte die Ruine des Turmes sich erhob. Diese war von keinem bedeutenden Durchmesser und erhob sich zu einer Höhe von ungefähr vierzig Ellen. Was über diese Höhe hinausgereicht hatte, war
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