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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eingestürzt. Die Tür war schmal und nicht hoch. Das runde Gemäuer zeigte unten einige schmale, schießschartenähnliche Fensteröffnungen. Oben aber ragten noch einige hohe, mächtige Pfeiler in die Luft, zum sichersten Beweis, daß sich dort Gemächer mit großen Aussichtsfenstern befunden hatten. Diese Pfeiler standen ganz ohne Stütze auf der Ruinenkante, nur durch ihre eigene Schwere gehalten.
    Die beiden Männer traten ein und bemerkten, daß eine Treppe zur Höhe führte. Dieselbe war sehr schwer zu ersteigen, denn die Stufen lagen voller Geröll, welches von oben herabgestürzt war. Dennoch arbeiteten sich beide empor. Oben angekommen, fanden sie nicht das mindeste, welches ihnen die gehabte Mühe hätte belohnen können, und es zeigte sich auch nicht die leiseste Spur, daß dieser Ort in letzter Zeit von einem menschlichen Fuß betreten worden sei.
    Sie stiegen wieder herab und untersuchten den unteren Teil des Turmes. Auch hier lag Schutt in solcher Menge, daß es eine ungeheure Arbeit gewesen wäre, ihn wegzuräumen, um zu sehen, ob vielleicht eine weitere Treppe nach einem Keller führe.
    „Die Gespenster haben sich keinen sehr bequemen Ort zur Wohnung erwählt“, meinte Fritz. „Wenn ich einmal nach meinem Tod spuken muß, so tue ich es sicher nicht ohne wenigstens ein Sofa und eine lange Pfeife. Ich bedaure sie!“
    „So bedaure dich mit ihnen!“ antwortete Müller.
    „Warum?“
    „Weil dieser Turm für einige Zeit dein Wachtlokal sein wird. Auf Wohnlichkeit und Eleganz wirst du verzichten müssen.“
    „Ich nehme an, es geschieht im Dienst, und da darf man nicht wählerisch sein. Übrigens werde ich mich sehr hüten, mich im Turm selbst einzuquartieren. Hier gibt es nichts. Wenn es wirklich nicht geheuer ist, so kommen die Geister von außen herein, und darum werde ich mir da draußen ein Plätzchen suchen, von welchem aus ich den Eingang gut bewachen kann. Übrigens sind es die ersten Gespenster, welche ich zu sehen bekomme. Ich kann sagen, daß ich mich herzlich auf sie freue.“
    Müller wußte, daß diese Worte keine Unwahrheit enthielten. Fritz war ein mutiger, unerschrockener Kerl, der weder an Gespenster noch an den Teufel glaubte. Was er sagte, war wirklich ganz aufrichtig gemeint. Darum antwortete sein Herr:
    „Das sollst du erfahren, sobald ich es selber weiß. Jetzt aber eile; es fallen bereits die Tropfen, und der Sturm hat sich bereits erhoben!“
    Sie schieden. In nicht allzu großer Ferne lagen die Häuser eines Dorfes, nach welchem Fritz seine eiligen Schritte lenkte. Müller aber schlug die Richtung ein, aus welcher sie gekommen waren, da der Turm in fast gerader Linie nach dem Schloß lag und ihm also wirklich den gelegentlichsten Schutz vor dem Gewitter bot.
    Der Sturm begann die Bäume zu erfassen. Die Wipfel rauschten und prasselten unter seinem gewaltigen Druck. Ein helles, scharfes Heulen pfiff schneidend durch die Luft; es lagerte sich ringsum eine dichte Dunkelheit, die nur von dem Leuchten des Blitzes erhellt wurde. Ein fürchterlicher Donnerschlag machte die Erde erzittern, und dann war es, als habe dieser Schlag alle Wolken geöffnet.
    Glücklicherweise war Müller bereits in der Nähe des Turms angekommen. Er eilte zwischen den Felsen hindurch, trat ein und – wäre beinahe erschrocken zurückgewichen, denn vor ihm stand, von einem soeben niederfahrenden Blitz hell beleuchtet – Baronesse Marion.
    „Entschuldigung, gnädiges Fräulein!“ sagte er. „Ich wußte nicht, daß sich jemand hier befindet.“
    Sie konnten einander nicht erkennen. Das Dunkel des Wetters war hier im Turm doppelt bemerklich. Marion antwortete:
    „Und auch ich glaubte, allein zu sein. Übrigens haben Sie sich nicht zu entschuldigen. Der Wald steht einem jeden offen.“
    „Auch dieses Gebäude, Mademoiselle?“
    „Gewiß. Warum sollen Sie nicht Schutz hier suchen dürfen, geradeso wie ich? Sie sind naß geworden?“
    „Nicht so, daß es wert sei, es zu erwähnen.“
    „Auch ich bin trocken geblieben; der Turm war ja ganz in der Nähe.“
    Er ahnte, daß sie an dem Grab gewesen sei. Wie lieb mußte sie ihre Mutter haben! Die erste Stunde nach der Rückkehr galt der Ruhestätte der Toten.
    „Sie waren allein im Wald?“ fragte er.
    „Ja“, antwortete sie. „Aber der Regen wird wohl anhaltend sein; es scheint geraten, es uns so bequem wie möglich zu machen.“
    Sein Auge hatte sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt, und so bemerkte er, daß sie das Tuch, welches sie um ihre

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