55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Sie das noch nie versucht?“
„Nein, niemals“, antwortete er, mit Spannung auf ihre weißen Fingerchen blickend, welche mit Anstrengung an dem Gegenstand herumarbeiteten.
„Jetzt!“ rief sie. „Jetzt geht es! Sehen Sie, daß man daran schrauben kann? Der Zahn ist mit einem Gewinde versehen und läßt sich abschrauben. Hier, blicken Sie her!“
Es gelang ihr, den Zahn aus der Krone zu schrauben, und nun zeigte sich eine Merkwürdigkeit, welche allerdings geeignet war, die beiden in Erstaunen zu setzen. Die natürliche Höhlung des Zahnes war erweitert worden und enthielt ein feines Elfenbeinblättchen, dessen eine Seite das wunderbar künstlerisch ausgeführte Miniaturporträt einer sehr schönen, jungen Frau zeigte. Darunter standen die Buchstaben und Zahlen H.v.G. 1845. Die andere Seite enthielt den Kopf eines stattlichen Mannes, und darunter war zu lesen: K.v.G. 1845.
Nanon betrachtete das Porträt der Dame sehr aufmerksam und sagte dann:
„Sie ist es; ja, sie ist es; ich erkenne sie wieder, obgleich sie älter aussah, als hier auf dem Bild. Monsieur Schneeberg, diese Frau muß ihre Mutter sein und der Herr Ihr Vater!“
Fritz stand da ganz ohne Bewegung. Er wußte gar nicht, wie ihm geschah. Eine Grafenkrone! Und diese beiden Personen sollten seine Eltern sein! Es war ihm, als hätte er einen Schlag vor den Kopf bekommen.
„Sie kennen diese Dame?“ fragte er.
„Ja und nein, Monsieur“, antwortete Nanon. „Es war in Paris während einer Soiree, als mir eine sehr schöne Dame auffiel, da sie ganz in Schwarz gekleidet ging. Ich erkundigte mich, wer sie sei, und man sagte es mir. Ich habe jedoch den Namen wieder vergessen. Sie war eine Deutsche, und zwar die Frau eines preußischen Generals. Ich erfuhr, daß sie stets in Schwarz gehe, weil sie den schrecklichen Verlust zweier Kinder betrauere.“
„Die gestorben waren?“
„Nein, sie waren ihr auf einer Reise abhanden gekommen und nicht wiederzufinden gewesen. Etwas weiteres konnte ich nicht erfahren. Nur das sagte man mir, es sei sehr zu verwundern, daß man die Verschwundenen nicht entdeckt habe, da ihre Kleidchen gezeichnet gewesen seien und jeder der Zwillinge einen Löwenzahn an einem feinen Goldkettchen am Hals getragen habe; es sei also sehr zu vermuten, daß ein Verbrechen vorliege.“
„Den Ort, an welchem die Kinder verlorengegangen sind, wissen Sie nicht?“
„Nein. Ich habe mit der Dame selbst gar nicht gesprochen und das, was ich Ihnen jetzt sage, erfuhr ich so nebenbei, wie ja die Unterhaltung oft von dem einen auf das andere springt. Seit jener Soiree sind bereits zwei Jahre vergangen, und doch sagte man mir, daß die Dame bereits damals über zwanzig Jahre getrauert habe.“
„Wenn Sie doch den Namen wüßten, Mademoiselle!“ stieß Fritz hervor.
„Ich werde ihn erfahren, ganz gewiß! Ich werde an die Freundin schreiben, welche damals die Gesellschaft gab, und den Namen der Generalin ganz sicher erfahren. Verlassen Sie sich darauf, daß ich noch heute den Brief absenden werde!“
„Ich danke Ihnen Mademoiselle!“ sagte er. „Seit der Zeit, in welcher ich denken lernte, habe ich mich gesehnt, meine Eltern zu finden. Ich habe mitten im Weg im Schnee gelegen, bin also wohl aus einem Schlitten verloren worden und gehöre nicht zu jenen unglücklichen, kleinen Geschöpfen, welche von ihren Eltern verleugnet und mit Absicht einer ungewissen Zukunft überantwortet werden. Stets habe ich mir gesagt, daß meine Eltern mich gegen ihren Willen verloren haben und einen immerwährenden Kummer, eine nie gestillte Sehnsucht nach mir im Herzen tragen müssen. Darum habe ich oft heiß und innig Gott gebeten, mich wieder mit ihnen zusammenzuführen. Danach, ob sie reich oder arm, vornehm oder gering sind, habe ich nie gefragt. Ja, ich gestehe Ihnen, daß es mir lieber sein würde, der Sohn eines niedrigen, als der eines vornehmen Mannes zu sein, da ich die Bildung nicht genossen habe, welche mich befähigt, den Anforderungen einer höheren Lebensstellung Genüge zu leisten. Ich habe die Hoffnung, daß Gott mein Gebet erhören werde, niemals sinken lassen. Es ist ein schöner Kinderglaube, daß Gott seine Engel sendet, wenn er die Bitte eines Sterblichen erfüllen will; ich habe diesen Glauben stets festgehalten, und als Sie mir im Traum als Engel erschienen, da war es mir, als sei es eine Sünde, an Ihrer Sendung zu zweifeln. Jetzt will mir der Beweis werden, daß dieser Traum nicht zu den unerfüllbaren gehöre. Der erste
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