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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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möchten.“
    Er blickte sie mit dem ungeheucheltsten Erstaunen an und fragte:
    „Ich Ihnen etwas übel nehmen? In meinem ganzen Leben nicht.“
    „Nun wohl, so will ich Sie bitten, mir zu sagen, wie Ihre Familie zu dem Namen Schneeberg gekommen ist? Das ist für eine französische Zunge so schwer auszusprechen; das klingt so kalt, so eisig, daß man dabei frieren möchte. Stammen Sie etwa aus Sibirien?“
    „Meine Familie?“ sagte er in einem schwermütigen Ton. „Ich habe keine Familie; ich habe weder Vater noch Mutter.“
    „Auch nicht einen Bruder oder eine Schwester, Monsieur Schneeberg?“
    „Auch nicht, Mademoiselle.“
    „So sind sie alle gestorben? Oh, das ist ja traurig, sehr traurig!“
    „Ob sie gestorben sind, das weiß ich nicht. Ich bin ein Findelkind gewesen.“
    „Ein enfant trouvé, ein Findelkind?“ sagte sie, und sogleich trat auch ein mitleidiger Tropfen in ihr schönes, liebes Auge. „Sie armer Monsieur Schneeberg. Wie ist dies denn zugegangen?“
    „Das will ich Ihnen sagen: Da wohnte ein armer Holzhacker zwischen den Bergen, der hatte eine Frau und sechs Kinder, aber nicht genug zu essen für sie alle; der wanderte eines Tages vom Gebirge hinab in die Stadt, um für seinen letzten Gulden Brot für die Seinen zu holen. Als er spät in der Nacht zurückkam, brachte er das Brot und dazu einen kleinen Jungen, den er auf der einsamen Straße bei einer hohen Schneewehe wimmern gehört hatte. Das war ich. Er machte Anzeige, aber es fand sich niemand ein, mich zu reklamieren. Der Holzhacker war ein braver Mann und behielt mich. Weil man nicht wußte, ob ich getauft worden sei, taufte man mich, und ich erhielt, da ich bei einem Berg von Schnee gelegen hatte, den Namen Schneeberg. Mein Pflegevater starb, seine Frau folgte ihm kurze Zeit darauf nach, und ich kam mit den anderen Kindern in das Armenhaus. Dort bin ich aufgewachsen, ohne Liebe, ohne alles, was ein Kind glücklich macht. Ich habe in meinem Leben nur einen einzigen Menschen gefunden, der mir Liebe und Güte erwiesen hat.“
    „Wer war das?“
    „Mein Rittmeister.“
    „Ah, Sie waren Soldat?“
    „Ja, Kavallerist.“
    „Aber welchen Beruf hatten Sie vorher erlernt?“
    „Oh, ich könnte etwas vornehmer tun und sagen, daß ich Friseur gewesen sei; aber ich werde ehrlich sein und eingestehen, daß ich zuerst zu einem Barbier in die Lehre gegangen bin und erst später gelernt habe, Haartouren herzustellen.“ Und mit einem trüben Lächeln setzte er hinzu: „Sie sehen, Mademoiselle, daß ich nichts, fast gar nichts bin in der menschlichen Gesellschaft.“
    Da bückte Nanon ihn beinahe zornig an und sagte:
    „Wo denken Sie hin, Monsieur! Sie mit Ihrem Mut, Ihrem braven Herzen, Ihrem weichen, sanften Gemüt wären unnütz: Sie haben mir das Leben gerettet! Sie haben mich auf Ihren Armen aus den Fluten getragen; das ist gerade genug getan für ein ganzes Leben. Millionen leben und sterben, ohne daß ihnen ein Mensch das Leben, ja nur eine einzige Stunde seines Lebens verdankt. Eigentlich ist mein Leben Ihr wohlerworbenes Eigentum, und wenn Sie darauf einen Anspruch machen, so bin ich Ihnen einen Dank schuldig, welcher so groß ist, daß ich ihn gar nicht abtragen kann. Sie fühlen jedenfalls Befähigung zu etwas Größerem in sich, als Sie jetzt sind. Wer sagt Ihnen denn, daß Sie kein höheres Ziel erreichen werden?“
    Sie hatte sich in einen solchen Eifer hineingeredet, daß ihre Augen blitzten und ihre Wangen glühten. Es war ihr ein Herzensbedürfnis, ihn zu überzeugen, daß er mehr wert sei, als er selbst denke. Dabei war sie in Bewegung gekommen und hatte bei jedem Wort, welches sie betonte, den Nachdruck dadurch zu verstärken gesucht, daß sie ihr Gegenüber mit der Spitze ihres Fußes an die Achsel stieß. Daß dabei nicht nur ihre Stiefelette, sondern auch ein kleiner Teil ihres feinen, weißen Strumpfes frei vom Gewand erscheinen mußte, darauf hatte sie gar nicht geachtet.
    Auf dieser weißen Stelle hafteten Fritzens Augen; aber es war kein unheiliger Gedanke, der ihn dabei beschlich, Nanon kam ihm vor wie ein höheres Wesen, wie eine Schöpfung von so unerreichbarer Schönheit, daß er froh sein müsse, den Klang ihrer silbernen Stimme hören und in die Tiefe ihres klaren, reinen Auges schauen zu dürfen.
    Er legte die Hand auf sein klopfendes Herz, schloß die Augen und sagte:
    „Sie haben recht. Zanken Sie mich nur tüchtig aus! Ich bin der glücklichste Mensch; ich tausche mit keinem anderen, denn ich habe das

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