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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unendliche Glück gehabt, das liebste und herrlichste Wesen der Welt auf meinen Armen zu tragen.“
    Sie blickte ihn scharf an, da sie aber in seinen geschlossenen Augen nicht lesen konnte, so fragte sie:
    „Wie meinen Sie das? Wer ist das liebste, herrlichste Wesen der Welt?“
    Da schlug er die Augen wieder auf, richtete sie mit größtem Erstaunen auf sie und antwortete:
    „Das wissen Sie nicht? Sie, natürlich, Sie sind es!“
    „Ich?“ fragte sie unter einem halben melodischen Lachen. „Ich das herrlichste Geschöpf der Erde? Oh, wie irren Sie sich; ich bin ein häßliches, unliebes Ding, welches sich sehr, sehr oft über sich selbst zu ärgern hat!“
    „Wenn das ein anderer von Ihnen sagte, so würde ich ihn mit dieser Hand zu Boden schlagen, Mademoiselle; darauf können Sie sich verlassen! An Ihnen ist alles gerade so schön und rein und heilig wie an einer Fee oder an einem Engel. Gerade so, wie Sie sind, habe ich mir als Kind die Engel vorgestellt, und so sind sie mir im Traum erschienen. Warum haben denn auch Sie stets Flügel, wenn ich von Ihnen träume?“
    „Ah, Sie träumen von mir?“ fragte sie schnell.
    „Ja, fast alle Nächte. Und es ist dann stets nur eins, was ich träume: Sie kommen mit goldenen Flügeln und einer goldenen Krone, um mir den Ort zu zeigen, an welchem ich meine Eltern finden werde.“
    „Oh, wie gern würde ich das tun, wie gern würde ich Ihren Traum erfüllen, da ich Ihnen so sehr viel schuldig bin!“
    Da richtete er sich halb empor; seine Wangen röteten sich wie unter einem verwegenen Entschluß, und seine Augen schienen tiefer und dunkler zu werden.
    „Wenn Sie wirklich glauben, daß Sie mir so sehr viel schuldig sind“, sagte er, „so kann ich Ihnen ein Mittel angeben, diese große Schuld mit einem Mal zu tilgen.“
    „Reden Sie, Monsieur Schneeberg! Gegen Sie mir dieses Mittel an!“
    „Aber Sie werden es mir übelnehmen, Mademoiselle!“
    „Ich? Ihnen? Nein! Ich kann Ihnen ebensowenig etwas übelnehmen wie Sie mir.“
    Sein Gesicht erhellte sich, und in einem Ton, dem man es anhörte, daß es dem Bittenden schwer wurde, diese Worte auszusprechen, sagte er:
    „Ich entbinde Sie von aller, aller Schuld gegen mich, wenn Sie mir nur ein allereinziges Mal die Erlaubnis geben, dieses schöne, kleine Händchen zu küssen, welches so weiß und zart da in Ihrem Schoß liegt.“ Und als Nanon nicht sofort antwortete, setzte er hinzu: „Nicht wahr, nun sind Sie mir ernstlich bös? Nun habe ich Ihre Güte ganz verscherzt?“
    Sie zögerte noch immer, ihm zu antworten; aber ihr Blick ruhte mit einem Ausdruck unbewußter Innigkeit auf seinem jetzt erbleichten Gesicht. Wie oft war ihre Hand geküßt worden von faden, unausstehlichen Salonhelden, die nach Moschus rochen und nach Pomade dufteten, aber nicht imstande gewesen wären, eine Fliege aus dem Wasser zu ziehen. Diese widerwärtigen Zwittergeschöpfe haben sich, ohne zu fragen, ihrer Hand bemächtigt, als eines Gutes, welches ihnen nicht entzogen werden könne. Und hier dieser Mann, der zwar ein einfacher, aber ein ganzer Mann war, bat sich diese Gunst aus, als das größte Glück, welches ihm widerfahren könne, als Äquivalent für ein teures, unbezahlbares Menschenleben. Wie blickten seine treuen Augen so ängstlich in ihr Angesicht! Es stieg ihr heiß aus dem Herzen empor, wie ein allmächtiges Gefühl, dem nicht zu widerstehen war.
    „Diese Hand wollen Sie küssen?“ fragte sie. „Nein; sie ist geküßt worden von Herren, von denen Hunderte mir nicht so viel wert sind wie Sie allein: Nicht die Hand, sondern die Wange will ich Ihnen reichen. Kommen Sie, mein lieber Monsieur Schneeberg; küssen Sie mir die Wange, und dann soll von meiner Schuld noch immer nicht einmal das kleinste Teilchen getilgt sein!“
    Sie glitt von den Pflanzen herab, welche ihr als Kissen dienten, kniete vor ihn hin und bot ihm in herzig kindlicher Weise ihr reizendes Köpfchen dar. Er legte die Hand leise, leise auf ihre zarte Schulter und berührte mit seinen Lippen noch leiser und vorsichtiger ihre erglühende Wange. Sie fühlte diese Berührung kaum; sie senkte das Köpfchen zur Seite, so daß ihre Wange fest an seinen Mund zu liegen kam, und dann fragte sie: „So! War es so recht?“
    Es war wie ein süßer, süßer Rausch über ihn gekommen. Sein Auge flammte auf; seine Brust hob und senkte sich, und sein Atem ging schnell, als er ihr antwortete:
    „Mademoiselle, Sie haben mich einen Augenblick lang in den Himmel schauen lassen.

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