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56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

Titel: 56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihnen zu schaffen haben? Ich bin niemals auf Schloß Jeannette oder in Berlin gewesen.“
    „Und dennoch warst du an beiden Orten.“
    „Ich?“ fragte der Sohn verwundert.
    „Ja, du warst daselbst; nur war damals dein Alter zu gering, als daß du dich jetzt noch darauf besinnen könntest. Rechne einmal nach, wie alt dieser Knabe Arthur de Sainte-Marie jetzt sein müßte.“
    Der junge Mann nahm den Geburtsschein zur Hand, rechnete und sagte dann:
    „Gerade so alt wie ich, nämlich neunundzwanzig Jahre.“
    Der Alte schwieg eine Weile; dann sagte er langsam und sinnend:
    „Ja, neunundzwanzig Jahre. Welch eine lange, lange Zeit! Und wie dunkel und drohend sind die Schatten, welche aus dem Abgrund dieser Zeit auftauchen, um mich zu ängstigen. O mein Gott, könnte mir vergeben werden. Könnte ich von hinnen scheiden mit dem Bewußtsein, daß Gott mir vergeben werde, um meiner Reue und um seines Sohnes Jesu Christi willen, der für uns am Kreuz gestorben ist!“
    Es entstand eine peinliche Pause, welche der Sohn durch die Worte abzukürzen versuchte:
    „Allah vergibt allen Sündern um des Verdienstes des Propheten und der heiligen Kalifen willen.“
    Der Alte schüttelte langsam den Kopf und antwortete:
    „Ich verzichte auf das Verdienst der Propheten und der Kalifen. Sie waren Menschen; Christus aber ist wahrer Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
    Der Sohn erschrak.
    „Wie, mein Vater?“ fragte er. „Du bist unter den Gläubigen bekannt als ein Heiliger, und dennoch lästerst du den Propheten?“
    „Mein Sohn, du sollst den Anfang des Geheimnisses hören: Ich bin kein Moslem, sondern ein Christ.“
    „Allah il Allah!“ rief der andere erschrocken.
    „Ja. Und auch du bist ein Christ.“
    „Ich?“ fragte der Sohn, indem er unwillkürlich zurückfuhr.
    „Ja. Du bist als Christ getauft, wenn auch nicht konfirmiert oder gefirmt. Niemals habe ich mit dir eine Zeremonie vornehmen lassen, durch welche du zu den Anhängern des Propheten übergetreten wärst. Ich habe dich den Glauben der Christen und auch den Glauben der Mohammedaner kennen gelehrt. Du betest die Suren des Koran; du absolvierst die vorgeschriebenen Werke und Waschungen; aber du betest auch die Gebote der Christen und ihre Lieder. Der Taufe nach bist du ein Christ; dem Leben und der Besinnung nach bist du weder Moslem, noch Christ, sondern ein frommer Mensch, welcher seinem Schöpfer dient, ohne zu fragen, ob er denselben Gott oder Allah nennen müsse.“
    Der Sohn schwieg eine Weile, mehr überrascht als bestürzt. Dann fragte er:
    „Aber, mein Vater, warum sagst du mir dies erst heute?“
    „Ich glaubte die Zeit noch nicht gekommen. Jetzt aber tritt der Tod an mich heran, und so sollst du alles erfahren, was ich dir bisher verschwiegen habe.“
    Der junge Mann bemerkte, daß das Reden seinen Vater außerordentlich anstrengte, darum bat er:
    „Schone dich, mein Vater. Gott wird mir nicht das Herzeleid antun, dich so schnell von mir zu rufen.“
    „Wem der Engel des Todes naht, der hört seine Fittiche bereits von weitem rauschen. Dann soll er nicht zögern, seine Rechnung mit dem Leben zu schließen. Willst du nicht raten, mein Sohn, warum jener Knabe jetzt gerade so alt sein würde, wie du bist?“
    „Nie vermöchte ich, dies zu erraten.“
    „So will ich es dir mitteilen: Du bist es selbst.“
    „Ich?“ rief der Sohn. „Wer – wer soll ich sein?“
    „Du bist jener Knabe, der in Berlin getauft wurde und dabei den Namen Arthur de Sainte-Marie erhielt.“
    „Allah akbar, Allah ist groß. Bei ihm ist nichts unmöglich, denn er ist allmächtig. Wie aber könnte ich jener Knabe sein?“
    „Weil ich dein Vater bin.“
    „Ja, das bist du. Du bist mir ein lieber und treuer Vater gewesen in jedem Augenblick meines Lebens.“
    „Ich habe an dir sühnen wollen die Sünden meiner Jugend, denn wisse, ich bin jener Baron Alban de Sainte-Marie.“
    Da schlug der Sohn die Hände zusammen und sagte:
    „Welch ein Wort! Ist dies wahr, mein Vater?“
    „Am Ende des Lebens treibt man keinen Scherz!“
    „So bist du also nicht ein Araber vom Stamm der Schammar, sondern ein Franzose? Und jene Tochter eines Wirtes ist meine Mutter? Oh, mein Vater, schnell, schnell! Sage mir, ob sie noch lebt.“
    Der Alte schüttelte langsam und traurig den Kopf und antwortete:
    „Nein, sie lebt nicht mehr; sie ist tot.“
    „Oh, warum hat Allah sie aus dem Leben gerufen! Wie glücklich würde ich sein, das Antlitz meiner Mutter sehen zu können!“
    „Ja, du

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