56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
der Lauscher alles hören konnte.
„Du denkst, ein Knecht? Nein, das war er nicht“, sagte einer.
„Was denn sonst?“ fragte ein anderer.
„Er ritt so militärisch.“
„Und einen reinen Offiziersbart!“ fügte ein dritter hinzu.
„So streitet euch doch nicht!“ warnte ein vierter. „Er ist ja nun vorüber.“
„Er sah nicht nach vielem Geld aus!“ bemerkte der zweite.
„Es wäre ein schlechter Fang gewesen. Übrigens hatte er unser Zeichen.“
„Wer mag es ihm gesagt haben?“
„Vielleicht pfiff er das Lied nur ganz zufällig.“
„Oder ist er bei Berta Marmont eingekehrt?“
„Sollte er ein Bekannter von ihr sein?“
„Vielleicht ein Geliebter?“
Da schlug der eine mit der Faust auf den Rasen und sagte:
„Dann soll ihn der Teufel holen. Die Berta ist ein zu appetitlicher Bissen, als daß wir sie einem Fremden überlassen sollten.“
„Pah!“ brummte sein Nachbar, der zu alt war, um noch Liebesgedanken hegen zu können. „Streitet euch nicht! Einige von uns haben sich die Finger an ihr verbrannt. Keiner gönnt sie dem andern, und darum haben wir ausgemacht, daß keiner sie bekommen soll. Es würde sonst Mord und Totschlag geben. Warum sollte sie da nicht einen nehmen, den sie liebhat?“
„Laßt doch das unnütze Reden! Wären wir heute am Vormittag alle beisammen gewesen, so hätten wir einen Fang gemacht. Dreißig Soldaten bei einem Wagen! Was muß das gewesen sein? Gewiß kein übler Fang.“
„Vielleicht gar eine Kriegskasse.“
„Das ist sehr leicht möglich. Nun aber ist sie vorüber.“
„Nur Geduld!“ lachte der Alte. „Der Kerl, welcher hier vorüberpfiff, hatte nicht drei Franken im Sack. Warte bis heute abend.“
„Wird es wahr sein?“
„Ich habe es ganz genau gehört.“
„Ein Marschall?“
„Sogar zwei Marschälle.“
„Donnerwetter, welche?“
„Frag nicht ewig. Was tut der Name zur Sache?“
„Aber ob sie Geld haben?“
„Meinst du, ein Marschall reise ohne einen vollen Beutel?“
„Und Ringe, Uhren, Dosen, Diamanten und Pretiosen!“ meinte ein anderer.
„Aber auch mit großer Bedeckung.“
„Pah! Die wird niedergeschossen.“
„Und wenn sie zahlreich ist?“
„Wenn die anderen kommen, sind wir zwanzig Mann. Das genügt vollständig.“
„Ja, vollständig“, stimmte einer seiner Kameraden bei. „Wir stellen uns ja nicht eher bloß, als bis sie alle erschossen sind.“
Hier handelt es sich also um den Überfall zweier Marschälle. Sollte Königsau weiter lauschen? Sollte er noch mehr zu erfahren suchen, um die Bedrohten aufzusuchen und zu warnen? Was nützte das ihm? Was nützte es seiner Sache? Nichts! Es konnte ihm nur Schaden bringen. Übrigens brachen die Leute das Thema ab und begannen von gleichgültigeren Dingen zu sprechen.
Der kleinste Umstand konnte zum Verräter an ihm werden. Darum zog er sich zurück, erst langsam und leise; dann aber nahm er einen raschen Schritt an und eilte zu seinem Pferd. Er fand es noch so, wie er es verlassen hatte, zog es aus dem Wald auf die Straße heraus, stieg auf und setzte seinen Weg fort.
Nach einer halben Stunde erreichte er La Chêne. Er wäre am liebsten hindurchgeritten, doch hielt er es für besser, einmal einzukehren. Auf diese Weise konnte er vielleicht etwas erfahren. Er führte sein Pferd hinter das Haus, ließ sich ein Glas Wein geben und fragte dann den Wirt, ob er ein wenig Heu bekommen könne.
„Für Ihr Pferd?“ fragte dieser.
„Denken Sie etwa, für mich?“ lachte er.
Der Wirt machte ein saures Gesicht und antwortete:
„Heu ist nicht da. Aber gehen Sie in den Garten, da schneidet das Mädchen Gras. Das ist auch besser als Heu.“
Der gute Mann blieb ruhig auf seinem Stuhl sitzen. Königsau schritt über den Hof hinüber und öffnete die Gartenpforte. Er trat in einen Laubengang, welcher von Pfeifenstrauch und Weinreben gebildet wurde. Dieser Gang war sehr dicht belaubt, und es gab nur hier und da ein hineingeschnittenes Loch, welches als eine Art Fenster diente. Er führte in gerader Richtung in eine Laube, aus welcher man in den eigentlichen Gastgarten gelangte.
Indem Königsau so dahinschritt, vernahm er eine Stimme. Er blieb überrascht stehen, denn es war ihm, als ob er den Namen Fabier gehört hätte.
Er lauschte. Jetzt vernahm er deutlich, daß draußen außerhalb des Ganges zwei Personen miteinander sprachen. Er unterschied eine männliche und eine weibliche Stimme. Sie ertönten gar nicht weit von ihm. Er brauchte nur noch einige Schritte zu
Weitere Kostenlose Bücher