56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
Monsieur?“
„Ja.“
„Aber Sie reiten doch ein hiesiges Pferd.“
„Kennen Sie es?“
„Ja. Es gehört nach dem Meierhof Jeannette.“
„Das stimmt. Sind Sie dort bekannt?“
„Oh, sehr gut. Ich bin sogar das Patenkind der Frau Baronin. Mein Großvater war Diener des seligen gnädigen Herrn.“
„Ah, so kennen Sie auch die Karosse der gnädigen Baronin?“
„Gewiß. Sie ist heute früh hier vorübergefahren.“
„Nun, mein Kind, ich will der Frau Baronin entgegenreiten.“
Da fuhr sie beinahe von dem Schemel empor, auf welchem sie saß.
„Der gnädigen Frau entgegenreiten?“ fragte sie, indem ihr schönes Gesichtchen eine plötzliche Angst verriet. „Ist das wahr?“
„Jawohl“, antwortete er.
„Mein Gott, so kehrt die Baronin erst des Nachts heim?“
„Wahrscheinlich.“
„Aber wer soll da ihren Wagen erkennen!“
Dieser Ausruf war jedenfalls sehr zweideutig. Königsau fragte daher:
„Ist es denn notwendig, daß ihr Wagen erkannt wird?“
„Ja, freilich!“ antwortete sie schnell, aber unbesonnen. „Es darf ihr ja kein Leid geschehen!“
„Wer könnte ihr denn etwas tun?“
Diese Frage brachte sie zu der Erkenntnis, daß sie mehr gesagt habe, als sie jedenfalls beabsichtigt hatte. Über ihr hübsches, aufrichtiges Gesicht legte sich die Röte der Verlegenheit, und sie antwortete erst nach einer kleinen Pause:
„Oh, Monsieur, Sie fragten mich vorhin, ob es wahr sei, daß es hier im Wald nicht so recht geheuer ist. Man hat Ihnen recht berichtet. Es gibt im Wald böse Menschen, denen nicht zu trauen ist.“
„Und Sie kennen diese Menschen?“ fragte er, einen eindringlichen Blick auf sie richtend.
Ihre Wimpern lagen längere Zeit fest über den Augen, ehe sie antwortete:
„Monsieur, ich wohne ganz allein hier mit meiner Mutter. Es kommen sehr oft Leute, welche wir nicht kennen dürfen, sonst würde es uns schlimm ergehen.“
„Aber, liebes Kind, warum bleibt Ihr da hier wohnen?“
„Oh, wir wollten gern fort, aber es geht nicht. Als Vater dieses Haus kaufte, da war es im Wald sicher und gut. Es kamen nur ehrliche Leute zu uns, und wir hatten unsere Freude an dem Heimwesen. Da aber brach der Krieg aus, und nun füllte sich das Land mit schlimmen Leuten, welche alle bei uns einkehrten. Vater wurde von einem erschossen. Großvater wurde von der Baronin entlassen und starb auch bald. So war ich mit Mutter allein. Wir dürfen niemand verraten, sonst sind wir verloren.“
„So verkauft das Haus.“
„Wer kauft es uns ab, Monsieur?“
„So bittet die Baronin um Hilfe. Sie ist gut und wird Euch den Wunsch nicht abschlagen.“
„Sie hat ihn uns bereits abgeschlagen“, antwortete das Mädchen leise und langsam.
„Warum?“
Jetzt zog eine tiefe, tiefe Glut über ihr Gesicht, und sie antwortete stockend:
„Weil – weil – – – oh, sie ist sehr böse auf uns.“
„Warum denn, mein Kind? Vielleicht kann ich helfen.“
Da legte sie plötzlich die Hand vor die Augen und bog das Köpfchen nieder. Königsau sah eine Fülle herrlichen Haares sich auflösen und sah Tränentropfen zwischen den kleinen, zarten Fingern hervorquellen – sie weinte.
Eine Zeitlang herrschte tiefe Stille im Zimmer; dann sagte er im mildesten Ton:
„Ich habe Ihnen sehr weh getan, mein gutes Kind. Nicht wahr?“
Da hob sie langsam den Kopf, sah ihn durch Tränen an und antwortete:
„O nein, Monsieur. Ich höre vielmehr, daß Sie es gut mit mir meinen. Und darum will ich Ihnen etwas sagen. Kennen Sie den Weg, den Sie zu reiten haben?“
„Im einzelnen nicht.“
„Nun, er macht von hier aus einige Krümmungen. Ist Ihnen das kleine Liedchen bekannt: ‚Ma chérie est la belle Madeleine‘?“
„Ja.“
„Nun gut. Wenn Sie an der fünften Krümmung von hier ankommen, so steht am Rand des Dickichts rechter Hand ein Kreuz. Dort ist einmal einer ermordet worden. Sobald Sie dieses Kreuz sehen, singen Sie dieses Lied. Sie können doch singen, Monsieur?“
„Ein wenig.“
„Wenn Sie nicht gern singen, so pfeifen Sie wenigstens die Melodie.“
„Warum?“
„Oh, das darf ich ja doch nicht sagen.“
„So werde ich es Ihnen sagen. Hinter dem Kreuz stecken die verborgen, welche zuweilen zu Ihnen kommen. Sie lauern den Wanderern auf. Wer aber das Lied singt, oder pfeift, dem tun sie nichts, weil er unter ihrem Schutz steht.“
„Mein Gott, ich verbiete Ihnen streng, das zu verraten.“
„Ihr Verbot kommt zu spät“, sagte er lächelnd.
„Monsieur, ich bitte Sie um
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