56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
werden, wenn er binnen einer Viertelstunde nicht auf dem Kampfplatz erschienen sei.“
Da lachte Napoleon laut auf, was bei ihm eine außerordentliche Seltenheit war. Auch die Offiziere stimmten fröhlich ein; doch meinte der Kaiser dann ernst:
„Ich danke Ihnen, Kapitän. Man sieht, wie umsichtig Sie verfahren. Ich bin überzeugt, daß Sie ein ausgezeichneter Offizier sein würden. Diese Helden und Ritter würden uns von großem Nutzen sein, wenn der Kampf nicht bereits glücklich zu Ende wäre.“
„Sie werden uns auch jetzt noch von Vorteil sein, Sire“, meinte Ney.
„Inwiefern?“
„Noch sind unsere Geschirre nicht in Ordnung. Tote und Verwundete liegen hier, ein Gefangener ist zu transportieren –“
„Ach ja; man lasse sie herbeikommen.“
Jetzt waren die Bürger auf Sprachweite herangekommen; sie konnten natürlich den Schein der Wagenlichter sehen. Da ertönte die Stimme des Maire:
„Halt. Im Namen des Gesetzes.“
„Was gibt es?“ antwortete Gourgaud.
„Seid Ihr etwa die Marodeurs?“ fragte der Maire.
„Nein.“
„Sind Sie der Kaiser?“
„Nein.“
„Ah, so sind Sie der Herr Kapitän de Sainte-Marie?“
„Auch nicht. Ich bin der Generaladjutant des Kaisers.“
„Oho! Wie heißen Sie?“
„General Gourgaud.“
„Das stimmt. Ist der Kaiser dort?“
„Ja. Er befiehlt Ihnen, sofort näher zu kommen!“
„Wird noch geschossen?“
„Nein.“
„Garantieren Sie dafür?“
„Ja.“
„Nun gut, so kommen wir. Vorwärts! Marsch! Trab, trab!“
Die Leute setzten ihre Pferde in Trab. Da nicht mehr geschossen wurde, hatte der brave Maire Mut bekommen. Er ritt voran. Er sah im Schein von Königsaus nun bald ausgebrannter Fackel den Kaiser stehen. Er lenkte sein Pferd im Trab auf denselben zu, um seine Meldung in möglichst militärisch exakter Weise zu machen. Die Rechte an dem Mützenschirm und in der Linken das Halfter, rief er:
„Sire, ich melde mich –“
Sein Pferd stolperte über eine gerade hier im Weg liegende Leiche und brach auf die Knie nieder. Da glitt der mutige Vater des Ortes über den Hals des Tieres herab, setzte sich auf den Teil seines Körpers, in welchem gewöhnlich die wenigste Geistesgegenwart zu finden ist, und fuhr in seinem Bericht fort:
„– – – eingetroffen mit zweiundzwanzig Mann.“
Seine Untergebenen hielten seine demütige Bewegung für eine Notwendigkeit der Etikette und machten bereits Anstalt, in der gleichen Weise von den Pferden zu rutschen, obgleich sie im stillen sich fragten, ob sie es so natürlich und exakt fertig bringen würden wie ihr Bataillonschef; da aber winkte der Generaladjutant und rief, das laute Lachen verbeißend:
„Richtig absteigen, Messieurs, richtig absteigen!“
Diesem Befehl folgten sie natürlich lieber als dem Beispiel ihres Zivilvorgesetzten, welcher sich soeben glorreich von der Erde erhob, seine herabgefallene Mütze wieder aufsetzte und dann seine Honneurs wiederholte.
Der Kaiser hielt seine Augen lange auf ihn gerichtet, ohne eine Miene zu verziehen. Wer ihn kannte, der wußte, daß dieser Ernst nur das äußere Gewand war, unter welchem der Schalk lustig kicherte.
„Monsieur, Sie werden ein zweites Protokoll zu schreiben haben“, sagte er endlich.
„Ich stehe untertänigst zu Diensten“, sagte der Maire.
„Sehen Sie, was hier geschehen ist?“
„Ich sehe es, Sire.“
Bei diesen Worten trat er einen Schritt zur Seite, denn ein Toter, dessen Gesicht nach oben gekehrt war, schien ihn drohend anzugrinsen.
„Man hat mich, den Kaiser, überfallen.“
„Ein totwürdiges Verbrechen, Majestät.“
„Die Leute sind getötet worden. Nur einer lebt. Dort bei meinem Kutscher liegt er gebunden. Man wird ihn verhören.“
„Ich lege ihn auf die Folter, Sire.“
„Es ist bereits heute beschlossen worden, meine Marschälle zu überfallen. Die Untersuchung muß erweisen, ob eine einfache Räuberei oder vielleicht ein tiefergehendes Komplott zugrunde liegt.“
„Ich werde das Komplott entdecken, Sire.“
„Sie? Sie werden nichts entdecken. Sie sind weder ein Held des Geistes, noch des Schwertes. Ich werde die Untersuchung in andere Hände legen. Doch haben Sie morgen vormittag acht Uhr auf dem Meierhof Jeannette bei mir zu erscheinen, um das Protokoll in die Feder zu nehmen.“
„Ich werde bereits drei Viertel vor acht dort sein, Sire.“
„Übrigens danke ich Ihnen, daß Sie so schnell auf dem Kampfplatz erschienen sind. Jeder Ihrer Leute hat eine Laterne mit – ah! Wer hat
Weitere Kostenlose Bücher