56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
er.
„Wen?“
„Mutter und Schwester.“
„Ah! Wie heißt diese Schwester?“
„Margot, Sire.“
Napoleon nickte sehr schnell mit dem Kopf.
„Aber Sie sehen dieser Schwester nicht ähnlich!“ sagte er.
„Es sind Stiefmutter und Stiefschwester, Majestät.“
„Ah! Wo befinden sie sich?“
„Hier auf dem Meierhof.“
Er konnte keine andere Antwort geben, denn er sagte sich, daß der Kaiser seine Schwester gerade heute und hier gesehen haben müsse.
„Sie kamen heute, um Drouet Bericht zu erstatten?“
„So ist es Sire.“
„Woher?“
„Von Lüttich, Namur und Brüssel.“
„Wann sind Sie angekommen?“
„Vor einer Viertelstunde.“
„Haben Sie Ihre Mutter und Schwester gesprochen, Kapitän?“
„Nein, Sire.“
„Warum nicht?“
„Ich hätte keine Zeit dazu gehabt, spreche aber mit diesen Verwandten überhaupt nicht.“
Das war dem Kaiser auffällig.
„Sie sind mit ihnen zerfallen?“ fragte er.
„Ja.“
„Warum?“
„Sie sind der Sache des Vaterlandes untreu geworden, Sire. Ich muß mich ihrer schämen.“
„Untreu geworden?“ fragte Napoleon rasch. „Wie meinen Sie das?“
„Die Schwester hat sich mit einem preußischen Offizier verlobt.“
Da erhob sich Napoleon rasch vom Stuhl und sagte:
„Das ist ein Irrtum, Kapitän. Sie sind falsch berichtet worden.“
„Sire, ich sage die Wahrheit“, behauptete Richemonte.
„Ihre Schwester ist mit einem Seekapitän aus Marseille verlobt.“
„Davon weiß ich nichts.“
„Dieser Seemann heißt Saint-Marie und ist ein Verwandter der Besitzerin dieses Meierhofs.“
„Auch dies ist mir vollständig unbekannt, Majestät.“
„Wohl nur deshalb, weil Sie mit den beiden Frauen nicht verkehren?“
„Es ist erst kurze Zeit, daß ich mich von ihnen trennte; außerdem habe ich sie auch hier nicht aus meiner Beobachtung gelassen.“
„Merkwürdig! Wie heißt jener deutsche Offizier?“
„Hugo von Königsau.“
„Welchen Grad besitzt er?“
„Lieutenant bei den Ziethenhusaren.“
„Kennen Sie ihn persönlich?“
„Ja. Er ist übrigens ein besonderer Schützling des Feldmarschalls Blücher.“
„Beschreiben Sie ihn mir genau.“
„Er ist hoch und stark gebaut, wenn auch nicht sehr lang, hat blondes Haar, einen starken, leicht gekräuselten Schnurrbart von derselben Farbe, blaue Augen, sehr gute Zähne und ein kleines rotes Mal auf der rechten Wange.“
Da trat Napoleon zwei Schritte auf den Sprecher zu:
„Sie malten da wirklich diesen Lieutenant ab?“ fragte er rasch und dringlich.
„Ja, Majestät.“
„Sie wissen genau, daß Sie nicht irren?“
„Ganz genau.“
„Ah, so hat man es gewagt, mich zu betrügen, zu belügen und zu hintergehen! Dieser sogenannte Seekapitän ist kein anderer als jener Husarenlieutenant, jener Liebling des Feldmarschalls Blücher. Er kam nach hier, um zu spionieren. Man muß alles tun, um ihn zu fangen. Dann wird man ihn aufhängen. Warten Sie draußen im Vorzimmer. Ich muß sofort zu Drouet. Ich komme gleich wieder.“
Königsau hatte diese Unterredung von Wort zu Wort belauscht. Er erschrak. Diese Sache konnte gefährliche Dimensionen annehmen. Er mußte die Freunde sofort warnen. Daher eilte er nach der geheimen Treppe und stieg hinab, um sich zu Margot zu begeben. –
Als die Baronin den Kaiser verlassen hatte, eilte sie sofort zu ihren Verwandten, um ihnen mitzuteilen, daß Napoleon nach dem vermeintlichen Seekapitän suchen lassen werde. Sie begegnete Frau Richemonte, welche ja im Begriff gestanden hatte, sie aufzusuchen, unter der Tür und veranlaßte sie, wieder mit einzutreten.
„Erschrecken Sie nicht, liebe Margot“, sagte sie. „Ich komme soeben vom Kaiser.“
„Das bedeutet ein Unglück“, sagte Frau Richemonte.
„Es sieht größer aus, als es ist. Der Kaiser läßt das Haus nach dem sogenannten Seekapitän durchsuchen.“
„Mein Gott, wird man ihn finden?“
„Wohl schwerlich.“
„Wo ist er versteckt?“
„Ganz in Ihrer Nähe“, sagte die Baronin lächelnd.
„Unmöglich. Wo wäre das?“
„Hier!“
Diese Antwort wurde aber nicht von der Baronin, sondern von Königsau ausgesprochen, welcher durch die hintere Tür trat.
„Hugo!“ rief Margot. „Neben mir bist du?“
„Ja. Aber um Gottes willen, wir alle befinden uns in einer fürchterlichen Gefahr.“
„Wir wissen bereits davon. Die Frau Baronin wollte dir davon mitteilen.“
„Oh, es bedarf dieser Mitteilung nicht, denn ich weiß bereits alles. Ich weiß sogar mehr, als
Weitere Kostenlose Bücher