56,3° Im Schatten
routinierten Kreiselbewegungen im Becken das stürmische Gas in Richtung Ausgang hin sortiert. Als der Betbruder dann endlich seinen Kopf hebt zur höheren Ehre des Herrn („Allllllaaaah!“), stößt er unerwartet mit seinem Zinken genau in die Arschspalte des Teufels hinein, die wiederum in einer schwarzen Wollstrumpfhose steckt und zum Biermösel gehört, der sich da genau vor ihm eingeparkt hat, und als der spürt, dass der Ramzi sich an ihn angedockt hat, sagt er nur kurz: „Rieche und sterbe!“
Der Gottesfürchtige glaubt dann zwar noch ein paar kurze Augenblicke lang, dass er einen schöneren Abgang verdient hätte als genau diesen, wo er doch ein Leben lang brav gebetet hat, aber da ist der Biermösel natürlich anderer Meinung. Schließlich war es der Betbruder, der ihm die erfüllte Arbeit als Bierfahrer weggenommen hat, also bläst er ihm mitleidlos ein hundsgemeines, aber gerade deshalb ausgesprochen wirkungsvolles „Pfffffffffft“ in den Geruchskolben hinauf, mit ganz viel „Pfffffffff“, aber nur ganz wenig „Ffft!“ im Abgang. Ein Ton, den die Vereinten Nation in ihrer langen Liste der verbotenen weapons of mass destruction schon lange ganz oben führen. Aber da kennen sie natürlich den Geruch noch nicht, der augenblicklich auf den Ton folgt – ein Gemisch aus verfaulten Bohnen, verfaulten Eiern, verfaulte Socken und ganz viel verfaultem Bier, alles zusammen gut angerührt und zusammen mit dem „Pffffffft“ hinausgeschleudert in eine sterbende Welt –
Gott ist groß!
Schon treten dem alten Kameltreiber die Augen weit heraus, bevor sie sich ein paarmal überschlagen und schließlich ganz im Schädelinneren verschwinden; seine Ohren verwelken; er verliert die Kontrolle über seine Zunge und bringt kein einziges unverständliches Wort mehr heraus, wo er doch vorher noch gerattert hat wie eine AK-47. Als er sich dann noch einmal in schöne Erinnerungen an die Märchen aus Tausendundeiner Nacht flüchten will, ist da nichts mehr, weil sich die graue Masse im Schädel zu einer kleinen Rosine zusammengezogen hat. Dann endlich sackt er zusammen. Er streckt alle viere von sich wie die vom Bolzen getroffene Kuh auf glitschigem Schlachthofboden, und nur den Arsch hält er immer noch vorschriftsgemäß in die Höhe, sodass es ausschaut, als täte er sogar im Schlaf noch beten, allerdings im sehr tiefen Schlaf der vollkommenen, ewigen Bewusstlosigkeit, „Amen!“
Der Herzlose Herzbube scheißt dann – sowieso Zeit für die erste morgendliche Sitzung! – noch zwei gut sichtbare „H“ auf die Straße, damit auch jeder sehen kann, wer das Freibier geraubt hat. Keiner von den rotwangigen Bauerntrotteln aus dem Bierzelt, die jetzt immer um den Auerhahn herumschleichen und vielleicht das Zeug zum Prohibitionsgewinnler gehabt hätten, wenn sie als Mafiosi drüben in Chicago auf die Welt gekommen wären und nicht als Bauerntrotteln in Aussee herüben, die nicht einmal einen Bierkeller ausrauben können, sondern:
„Ich, der Herzlose Herzbube!“
Glück
Wahrscheinlich hätte es erst gar nicht so weit kommen müssen mit ihm und der langsam verbrennenden Welt, denkt sich der Biermösel dann auf einmal nachdenklich, wenn die Umstände nur einen rundum glücklichen Bierfahrer aus ihm gemacht hätten, der erst gar nicht hätte zum Terroristen werden müssen, um endlich grillen zu können, weil er auf das Grillen dann auch geschissen hätte.
Sein Lebensunglück, muss er sich nämlich wieder einmal eingestehen, als er dem Ramzi die Wagenschlüssel aus der Hand nimmt und die Fips hinten zum goldenen Gold auf die Ladefläche dazuwirft, sein Lebensunglück sind ja nicht so sehr die untreuen und nie gepackten Weiber. Sein Lebensunglück ist ja vielmehr die komplett falsche Berufswahl, einmal mehr und immer wieder bereut er mit bitteren Tränen, dass er Gendarm geworden ist und nicht Bierfahrer.
Als der Biermösel dann das Führerhaus besteigt und endlich hinter dem Lenkrad sitzt und den Zündschlüssel herumdreht, erfüllt sich endlich sein Traum und er kriegt eine ungefähre Vorstellung davon, wie gelungen sein Leben hätte verlaufen können, wenn er das schon viel früher hätte tun können – so eine Freude hat er auf einmal am Leben, und das in einer so schwierigen Zeit!
Ein paar Minuten später dann, als die Sonne von ihrem kurzen nächtlichen Ausflug schon wieder zurückkommt und sich hinter dem Gebirgskamm mit seinen Spitzgiebelaltbauten und Flachdachneubauten streckt und dehnt für ihr
Weitere Kostenlose Bücher