57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
meiner Schwalbe werden.“
Belmonte nickte leise vor sich hin.
„Recht hast du“, sagte er. „Alice ist ein Prachtmädchen. Ich verdenke es dir nicht, daß du dein Herz bei ihr gelassen hast. Der Krieg wird hier in diesem Babylon gar manches und vieles verändern. Die Franzosen sind ein unruhiges, unzuverlässiges Volk. Siegen sie, dann wehe uns. Siegen wir, dann doppelt Wehe. Aufruhr und Empörung sind die sicheren Folgen. Kein braver Kerl hat aber die Braut gern mitten im Herd der Revolution. Hm. Ich habe eine Idee, Martin.“
„Die möchte ich erfahren.“
„Die Komtesse de Latreau geht von Paris fort.“
„Alle Wetter! Heute sterben zwei Schneidergesellen!“
„Wieso?“
„Weil wir zweimal ganz den gleichen Gedanken gehabt haben, zuerst mit dem famosen englischen Reporter und sodann mit der Komtesse.“
„Mit dem Reporter? Wieso?“
„Nun, haben Sie sich nicht ihm gegenüber für einen türkischen Berichterstatter ausgegeben?“
„Ja. Kennst du ihn denn?“
„Ich traf ihn bei Vater Main. Er wollte das Abenteuer erzählt haben, und ich sagte ihm da, daß ich ein Reporter aus Brasilien sei. Das ist der eine Schneidergeselle, welcher stirbt. Vorhin nun, als mir meine Schwalbe klagte, daß sie ganz einsam und verlassen sein werde, dachte ich an die Komtesse. Sie hat uns immerhin einiges zu verdanken. Sie könnte sich uns zuliebe meiner kleinen Verlassenen ein wenig annehmen. So kalkulierte ich. Und jetzt bringen Sie ganz denselben Gedanken. Das ist der zweite Schneidergeselle, welcher sterben muß.“
„Hm! Ja! Ich glaube, daß sich bei der Komtesse nicht schwer ein Plätzchen für Alice finden ließe.“
„Aber wer soll es ihr vorstellen? Ich etwa?“
„Nein, ich. Überlaß mir das. Ich werde morgen beim General erwartet und werde da Gelegenheit nehmen, eine Bemerkung zu machen, lieber Martin.“
„Aber eine kräftige, wenn ich bitten darf.“
„Das versteht sich.“
„Das könnte eine ganz allerliebste Kommandit- oder vielleicht Rekommanditgesellschaft werden.“
„Wieso?“
„Nun, wir zwei und diese zwei. Ich rekommandiere Ihnen die Komtesse. Auf diese Weise kann es am Schluß des Krieges eine Doppelhochzeit geben, an welcher die Engel im Himmel ihre Freude haben, wir beide aber noch mehr.“
„Hm! So übel wäre das nun gerade nicht. Aber spielen wir jetzt nicht mit Seifenblasen, sondern denken wir an die Gegenwart. Hast du dich nach einem Pferd umgesehen?“
„Wegen heute abend? Dazu ist noch Zeit genug. Mich verlangt zu wissen, wie diese Geschichte enden wird. Gott gibt dem Unverständigen Verstand und dem Verständigen Unverstand!“ –
Abends, kurz vor neun Uhr, ritt Martin ein Pferd in den Hof, und Belmonte stand am Fenster seines Zimmers, um die Equipage nicht auf sich warten zu lassen. Er hatte wirklich den Revolver, den Totschläger und sein Laternchen zu sich gesteckt.
Pünktlich zur angegebenen Stunde kam der Wagen herangerollt und hielt vor der Tür. Belmonte eilte hinab und stieg ein. Kaum hatten sich die Pferde in Bewegung gesetzt, so kam Martin aus dem Tor geritten, um der Equipage zu folgen.
Als Belmonte den Schlag geöffnet hatte, um einzusteigen, war ihm die bekannte Stimme der verschleierten Dame entgegengeklungen:
„Ah, Monsieur, das sind Sie! Guten Abend!“
„Guten Abend, Madame“, antwortete er. „Befehlen Sie?“
„Ich befehle nicht, sondern ich bitte, einzusteigen!“
Sie saß im Fond des Wagens. Er wollte auf dem Rücksitz Platz nehmen; da aber meinte sie:
„Nein, nicht so. Setzen Sie sich an meine Seite!“
Er gehorchte. Sie hätte sich noch etwas mehr nach der Ecke zurückziehen können; aber sie tat es nicht. Infolgedessen saß er so eng an ihr, daß er ihren Atem, über seine Wange streichen fühlte. Der Wagen hatte sich natürlich in Bewegung gesetzt. Er schaukelte in den Federn, so daß die beiden von Augenblick zu Augenblick leise aneinanderstießen. Sie schien dies mit großem Behagen zu empfinden, da sie diese Berührung länger auskostete, als es unbedingt nötig war.
„Ihre Gedanken werden heute mit wißbegierigen Fragen beschäftigt gewesen sein?“ begann sie nach einer kurzen Weile.
„Allerdings, Madame“, antwortete er.
„Sie werden zu erraten gesucht haben, wohin ich Sie bringen werde?“
„Ich kann es nicht in Abrede stellen.“
„Da muß ich Sie sehr ersuchen, so diskret wie möglich zu sein. Es liegt ja nicht im Bereich der Unmöglichkeit, daß Ihnen irgendein kleiner, von uns unbeachteter Umstand
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