58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Händchen und wagte es, dasselbe an seine Lippen zu ziehen. Sie duldete es. Er küßte diese schöne warme Hand wieder und immer wieder, und sie entzog sie ihm nicht. Er gab die Hand nicht wieder frei; er hielt sie fest zwischen seinen Händen, und sie widerstrebte auch jetzt noch nicht. Ja, nach einiger Zeit fühlte er eine Berührung seiner Schulter. Eine wahrhaft himmlische Wonne durchströmte seinen ganzen Körper. Ihr Köpfchen war auf seine Achsel niedergesunken, und da ließ sie es ruhig und vertrauensvoll liegen.
War sie ermüdet? War sie doch noch eingeschlafen? Er fragte es sich gar nicht. Er hatte gar keinen Raum für diese Frage; er war ja ganz erfüllt von der Wonne, die ihn durchflutete.
So saßen sie nun abermals Viertelstunde um Viertelstunde, ohne zu sprechen, ja sogar ohne sich zu bewegen, bis sich dann unten vom Hof herauf Pferdegetrappel hören ließ.
ACHTES KAPITEL
Im Gewölbe
Die Baronin hatte sich nämlich gerade angeschickt, Nachttoilette zu machen, als sich der Kapitän bei ihr anmelden ließ. Erstaunt über einen so ungewöhnlichen Besuch, hatte sie ihn empfangen.
„Sind wir allein und unbelauscht?“
„Sie sehen, daß wir allein sind“, antwortete sie. „Zu lauschen wagt bei mir kein Mensch.“
„Dann habe ich Ihnen eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen.“
Sie war seine Freundin nicht; sie haßte ihn, und nur in ihrem Haß gegen andere waren sie einig. Darum vermutete sie auch jetzt nichts Gutes.
„Eine Neuigkeit?“ fragte sie. „Ich glaube nicht, daß sie mich erfreuen wird.“
„Sie irren. Es ist eine sehr gute Botschaft. Sie werden nämlich verreisen, Frau Baronin.“
„Ich? Verreisen? Wann?“
„Noch während dieser Nacht.“
„Was fällt Ihnen ein! Wohin?“
„Bis vor das Schloßtor.“
Sie begann zornig zu werden.
„Herr Kapitän!“ rief sie.
Er musterte sie mit überlegenem Blick und fragte:
„Was beliebt?“
„Soll ich etwa annehmen, daß ich der Gegenstand irgendeines Ihrer schlechten Witze sein soll?“
„Nein, obgleich es ein besonderer Spaß ist, den ich heute entrieren werde. Sie sollen nämlich an Stelle Marions verreisen.“
„Ich verstehe Sie nicht!“
„Ich bin es leider längst gewöhnt, bei Ihnen kein Verständnis zu finden. Dieses Mal aber wird es Ihnen hoffentlich nicht schwer werden, mich zu begreifen. Sie wissen, daß Marion sich weigert, dem Obersten Rallion ihre Hand zu geben –“
„Ich habe ihr leider nichts zu befehlen, würde ihren Widerstand aber schon zu brechen wissen.“
„Wirklich? Was würden Sie tun?“
„Sie zwingen! Sehr einfach!“
Der Alte ließ ein kurzes, verächtliches Lachen hören und fragte:
„Darf ich wohl erfahren, welcher Art der Zwang sein würde, den Sie in Anwendung zu bringen gedächten?“
„Ich habe jetzt noch nicht an etwas Spezielles gedacht, bin aber sicher, daß ich ein passendes Mittel finden würde.“
„Nun, während Sie noch gar nicht nachdenken, bin ich bereits beim Handeln. Ich werde Marion so lange bei Wasser und Brot einsperren, bis sie gefügig wird.“
Diese Nachricht war der Baronin hoch willkommen.
„Das wäre allerdings das klügste“, sagte sie, „aber ich glaube nicht, daß Sie diesen guten Vorsatz auch wirklich zur Ausführung bringen!“
„Sie irren abermals. Heute nacht wird Marion eingesperrt.“
„Wohin?“
„Das ist meine Sache. Soviel ist aber gewiß, daß kein Mensch den Ort entdecken wird, dafür haben eben Sie zu sorgen! Marion wird verreisen. Es ist eine Nachricht gekommen. Es wird angespannt, und ich bringe sie nach dem Bahnhof, ich selbst, nicht der Kutscher. An ihrer Statt aber steigen Sie ein. Man wird diese Verwechslung gar nicht bemerken, da es finster ist. Es genügt, daß eine Dame einsteigt. Sie nehmen den großen Schlüssel mit. Draußen lasse ich Sie absteigen, und Sie kehren mit Hilfe des Schlüssels möglichst unbemerkt in Ihre Wohnung zurück. Später komme ich natürlich ohne Marion vom Bahnhof.“
Sie nickte ihm beistimmend zu.
„Gut ausgedacht!“ sagte sie. „Aber wird Marion sich gutwillig einsperren lassen?“
„Das ist abermals meine Sache. Hat sie sich in meinen Befehl gefügt, so werde ich dafür sorgen, daß sie von ihrer Reise zurückkehrt. Sind Sie bereit, zu helfen?“
„Gewiß! Wann werden Sie anspannen lassen?“
„Der Zug geht kurz nach vier. Sie werden um drei bereit sein müssen.“
„Schön. Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.“
Man sah ihr die Freude an, welche sie über diesen Streich
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