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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an ihre Schulter und sagte halblaut, fast im Ton der Verschämtheit:
    „Wenn du dich nicht begreifst, ich begreife dich, Marion.“
    „Du? Bist du so plötzlich eine so große Menschenkennerin geworden?“
    „Ja, eine sehr große. Mein Beispiel erklärt mir nämlich das deinige.“
    „Du spricht von einem Beispiel.“
    „Ja. Auch ich habe jemand, an den ich immer denken muß.“
    „Du? Du?“ fragte Marion überrascht.
    „Ja, ich.“
    Da schob Marion die Gesellschafterin sanft von sich fort, um ihr in das erglühende Gesichtchen blicken zu können und fragte, während aus ihrem Ton fast eine Art Entzückung klang:
    „Du? Du? Kleine Nanon, du liebst?“
    Die Gefragte senkte die Augen und antwortete:
    „Ich weiß es nicht.“
    „Aber du denkst an ihn?“
    „Oft, sehr oft.“
    „Und gern?“
    „Mit Freuden. Und dann, wenn ich ihn treffe und mit ihm spreche, so –“
    „Ach, du triffst ihn, du sprichst sogar mit ihm? Wo?“
    „Denk dir, im Wald.“
    „Im Wald? Das ist ja ganz und gar romantisch. Du hast einen Geliebten, ohne daß ich es weiß!“
    „Ich kann es ja selbst nicht sagen, ob ich ihn liebe.“
    „Das mußt du doch wissen.“
    „Ich weiß nur, daß ich ihm gut bin, herzlich gut.“
    „Nun, dann liebst du ihn auch. Darf ich vielleicht wissen, wer er ist? Oder muß es Geheimnis bleiben?“
    „Vielleicht ist es besser, daß ich es verschweige. Du würdest dich wundern, du würdest mich schelten, oder gar mich auslachen.“
    „Denke das ja nicht. Warum sollte ich denn das tun?“
    „Weil er kein vornehmer Herr ist, den ich meine.“
    „Dann irrst du sehr. Der, für welchen ich mich in neuerer Zeit so sehr interessiere, ist ja auch nur ein Lehrer.“
    „Aber der meinige ist noch viel weniger.“
    „So sage es doch.“
    Da drängte sich Nanon ganz an die Freundin heran, verbarg das Gesicht ganz an deren Brust und sagte:
    „Denk dir, er ist nur ein Kräutersammler.“
    Marion machte eine Bewegung des Erstaunens. Sie fragte:
    „Ein Kräutersammler? Wohl gar dein Lebensretter, und du triffst ihn im Wald?“
    „Ja, ganz unwillkürlich.“
    „Wie wunderbar“, sagte Marion. „Aber doch wie leicht erklärlich! Derjenige, dem man das Leben verdankt, hat jedenfalls das Verdienst, daß man oft und gern an ihn denkt. Weiß er, daß du ihn liebst?“
    „Er bemerkt jedenfalls, daß ich ihn gut leiden kann. Und, meine liebe Marion, ich muß dir etwas gestehen, aber wirst du mich nicht auslachen, wirklich nicht?“
    „Nein, meine Liebe, ganz gewiß nicht. Das sind so ernste Sachen, daß ich ans Lachen gar nicht denken werde.“
    „Nun, so will ich dir gestehen, daß – daß ich ihn, daß ich ihn bereits geküßt habe!“
    „Wirklich? Wirklich? Ist das möglich!“
    „Ja“, antwortete Nanon, bis in den Nacken erglühend.
    „Er hat dich geküßt, willst du wohl sagen?“
    „Nein, sondern ich ihn!“
    „Das ist ja unbegreiflich! Wie ist denn das gekommen?“
    „Ich muß es dir erzählen. Wir trafen uns im Wald, zufällig, wirklich ganz zufällig. Ich hatte mich verirrt und rief aus Angst laut um Hilfe. Da kam er des Weges daher.“
    „Und rettete dich abermals!“ lächelte Marion.
    „Ja, er kam. Ich war müde und setzte mich, und er ließ sich neben mir nieder. Hast du ihn genau betrachtet?“
    „Nein.“
    „Nun, als er so vor mir im Moos lag, da fiel es mir auf, was für eine prächtige Gestalt er hat, so stark, so kräftig und doch so proportioniert. Seine Hände und Füße sind so klein, wie bei einem Aristokraten und gar nicht wie bei einem gewöhnlichen Pflanzensammler.“
    „So genau hast du ihn betrachtet?“
    „Ja; aber geh! Du lachst doch! Und sein Gesicht, so lieb und gut, seine Augen so treu und ehrlich. Wir sprachen viel; wir kamen auch darauf, daß er mich aus dem Wasser gerettet hatte, und da redete ich von Dankbarkeit, die ich gar nimmer abtragen könne. Da sagte er, daß ich mit einem Mal die ganze Schuld bezahlen könne, und zwar so, daß nun er mein Schuldner werde.“
    „Was verlangte er? Ich ahne es! Einen Kuß.“
    „Nein. Er ist gut und bescheiden! Er bat mich um die Erlaubnis, meine Hand küssen zu dürfen.“
    „Das erlaubtest du ihm natürlich!“
    „Nein. Ich weiß gar nicht, wie mir wurde und was mich da überkam. Es war eine große, gewaltige Rührung. Ich hätte weinen mögen, ob vor Freude, oder vor Schmerz, das weiß ich nicht. Es war mir, als sei es geradezu eine Beleidigung, eine Herabsetzung, wenn ich ihm meine Hand zum Kuß gäbe, und da –

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