59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
empfangen wurde. Nachdem sie sich entfernt hatte und Herr und Diener allein waren, sagte der Erstere:
„Nun, hast du Neues?“
„Genug! Eine ganze Menge von Notizen.“
„Ich auch. Meine Ernte ist sehr reichlich.“
„Wie lange bleiben wir hier?“
„Wohl kaum länger als bis morgen. Das Terrain wird zu gefährlich. Wir arbeiten diese Nacht, und dann können wir aufbrechen.“
„Schön. Ich hoffe, daß wir recht bald wiederkommen, und zwar nicht als Weinhändler. Aber, mein sehr vorzüglicher Monsieur Belmonte, wissen Sie, was ich für eine Entdeckung gemacht habe?“
„Nun?“
„Eine höchst, höchst wichtige.“
„So laß hören.“
„Vater Main –“
„Was Teufel! Ist's wahr?“
„Ja.“
„Hast du ihn gesehen?“
„Ich hoffe es.“
„Du hoffst es? Das klingt freilich sehr ungewiß.“
„Hm! Er war sehr gut verkleidet, fast noch besser als ich selbst; aber seine Stimme war es ganz genau.“
„Wann hast du ihn gesehen?“
„Heute früh. Auf dem Versailler Bahnhof. Ich lungerte dort herum, als der Zug anlangte. Unter den aussteigenden Passagieren waren zwei, welche hart an mir vorüberstrichen. Sie sprachen miteinander, und der Kuckuck soll mich reiten, wenn ich den einen nicht an der Stimme erkannte.“
„Eben Vater Main?“
„Ja.“
„Und der andere?“
„Ich weiß nicht, wohin ich ihn tun soll; aber seine Haltung und sein Gang schienen mir bekannt zu sein. Es läßt sich vermuten, daß auch er verkleidet war.“
„Wohin gingen sie?“
„Sie schlugen die für uns glücklichste Richtung ein, welche es nur geben kann, nämlich nach dieser Straße.“
„Ah! Bist du ihnen gefolgt?“
„Natürlich. Sie gingen, denken Sie sich den Zufall, in das uns gegenüberliegende Haus.“
„Und du ihnen nach?“
„Ja, freilich nur bis in den Hof, um zu sehen, wo sie verschwinden würden.“
„Nun?“
„Da drüben im Hinterhaus, parterre, gibt es eine sogenannte Destillation. Man destilliert aber nicht, sondern man schenkt nur aus – Schnaps natürlich. Da hinein gingen sie. Ich habe mich dann hier an das Fenster gestellt und aufgepaßt. Sie sind noch nicht wieder heraus.“
„Sapperment! Warum bist du nicht auch hinein?“
„Konnte ich? Man müßte sich verkleiden.“
„Nun, so sehe ich mich genötigt, das Versäumte nachzuholen. Ich muß wissen, wer der andere ist.“
„Hm! Eine Ahnung habe ich freilich.“
„Welche?“
„Der Gang war ganz derjenige, den ich an jenem Harlekin beobachtet habe, der bei Vater Main verkehrte.“
„Alle Teufel! Meinst du den Bajazzo Lermille?“
„Ganz genau!“
„Wenn du dich nicht irrtest. Das wäre ein Fang.“
„Vater Main ein noch viel größerer. Er war es ja, der Fräulein von Latreau einsperrte. Der Bajazzo war da wohl nicht dabei.“
„Aber er ist mir in anderer Beziehung wichtig. Hast du die Schminke und alles andere da?“
„Alles.“
„So will ich mir sofort ein anderes Gesicht machen. Ich muß hinüber; ich muß wissen, woran ich bin.“
Martin öffnete einen Doppelboden des Koffers, unter welchem sich allerlei Heimlichkeiten befanden, von denen er das Nötige auszuwählen begann. Plötzlich hielt er in dieser Beschäftigung inne, schnipste mit dem Finger und sagte:
„Sapperlot, kommt mir da ein Gedanke.“
„Ein guter?“
„Ich hoffe es.“
„Laß hören!“
„Wollen Sie Vater Main arretieren lassen?“
„Natürlich.“
„Dann kommen Sie mit der Polizei in Berührung, und das müssen wir jetzt vermeiden.“
„Meine Papiere sind ausgezeichnet.“
„Ja, aber besser ist besser. Wissen Sie, wer am meisten darauf brennt, ihn zu fangen?“
„Nun?“
„Der General von Latreau.“
„Natürlich. Wie aber kommst du auf diesen? Steht seine Person mit deinem plötzlichen Einfall in Beziehung?“
„Ja. Wie wäre es, wenn wir diesen braven Vater Main dem General nach Schloß Malineau schickten?“
„Pah! Er würde sich hüten, hinzugehen.“
„Oder wir selbst bringen ihn hin.“
„Wie wollen wir das anfangen?“
„Oh, es ist nicht sehr schwer. Ich denke mir, daß Vater Main nur für kurze Zeit hier sein wird. Vielleicht hat er eine Kleinigkeit zu tun. Jedenfalls aber darf er sich nicht sehen lassen. Ihm ist ein Asyl notwendig, wo man ihn nicht kennt. Wie nun, wenn ihm dies in Malineau scheinbar geboten würde?“
„Hm! Dieser Gedanke hat allerdings etwas für sich. Wollen sehen. Ich muß erst rekognoszieren, ehe ich einen Entschluß fassen kann. Freilich, wenn der andere
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