Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

Titel: 595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo C. Parker
Vom Netzwerk:
eingeschränkt, fiel es mir anfangs schwer, meinen Namenszug auf die Postkarten zu setzen. Manchmal rempelte mich jemand an und die Unterschrift wurde krakelig. Ich spürte eine seltsame Beklemmung in der Brustgegend, als litte ich unter spontaner Klaustrophobie. Doch je kürzer die Schlange wurde, desto mehr entspannte ich mich.
    Zur Pause nahm mich eine der Pädagoginnen mit ins Lehrerzimmer. In der Mitte des Raumes standen sich zwei längliche, mit Papieren übersäte Tische gegenüber und ich zählte insgesamt vierzehn Stühle, von denen vier bereits besetzt waren.
    »Ich hoffe, es frustriert Sie nicht, nur drei Bücher verkauft zu haben.«
    »Nein«, täuschte ich Gelassenheit vor. »Nach Lesungen zieht oft der Buchverkauf in Buchhandlungen an.«
    Sie deutete auf eine Sitzgelegenheit. »Die Kollegin ist seit ein paar Wochen im Mutterschutz. Setzen Sie sich. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Gerne.«
    Meine Ansprechpartnerin ging zu einer Kaffeepadmaschine. Unterdessen betraten weitere Lehrerinnen den Raum, von denen mir manche zunickten und einige sich erkundigten, ob ich der Autor sei, der heute hier vorlas.
    Auf das Getränk wartend, musterte ich die Lehrkörper. Sie bildeten einen Durchschnitt der Fachkräfte, die ich regelmäßig an Grundschulen antraf. Zwei Frauen sprangen mir jedoch durch ihre Attraktivität ins Auge. Die erste war ziemlich groß und hatte braune, bis zu den Hüften reichende Haare. Ihre Kleidung erinnerte mich an die wilden Sechziger; besonders auffällig waren die zehn Ringe, die sie an den Fingern trug. Außerdem hatte sie ihre Fingernägel schwarz lackiert. Die andere war optisch ihr komplettes Gegenteil: kleiner, zierlicher, zu einem Dutt gewundenes blondes Haar, eine weiße Bluse und einen grauen Rock tragend. Ihr Gesicht wies Ähnlichkeiten mit Meg Ryan auf. In einem völlig unpassenden Moment – allein unter Frauen im Lehrerzimmer einer Schule – wurde mir schmerzhaft bewusst, wie lange ich inzwischen Single war. Eigentlich wollte ich mir keine Hoffnungen machen, dass eine der beiden Lehrerinnen Interesse an mir zeigen könnte, aber entstand Liebe nicht manchmal bei den seltsamsten Gelegenheiten? Warum also nicht in einer Pause nach einer Lesung?
    Die Zimmertür öffnete sich schwungvoll und ein Mann kam herein.
    »Gibt’s ja gar nicht«, rief er laut. »Wer stiehlt mir den Platz als Hahn im Korb?« Er trat auf mich zu und begrüßte mich mit übertrieben festem Händedruck.
    »Sven Frost«, stellte ich mich vor. »Ich bin der Autor.«
    »Alexander Siebert. Dann lesen Sie gleich bei uns. Ich bin der Klassenlehrer der Drei a.«
    Ich taxierte ihn, während er den freien Stuhl zwischen den hübschen Lehrerinnen ansteuerte. Er war ein gut aussehender Endzwanziger. Bestimmt äußerst beliebt bei seinen Kolleginnen.
    Ich sah meine Vermutung bestätigt, als ihm das Hippiemädchen eine Keksdose reichte.
    »Die habe ich gestern Abend gebacken. Hoffentlich schmecken sie dir.«
    »Hier ist das versprochene Cocktailrezept«, sagte die blonde Lehrerin und schob ihm einen Zettel zu. Es hätte mich nicht gewundert, ein rotes Herzchen darauf zu entdecken.
    Der Lehrer fing meinen Blick auf und zwinkerte mir zu. Ob er wohl ahnte, wie sehr ich ihn beneidete?
    ***
    Am frühen Nachmittag steckte ich auf dem Weg zu einer weiteren Lesung in einer Light-Version der Hölle: auf einer Autobahn in Richtung der alten Heimat.
    Wochen zuvor hatte ich in gefühlsduseliger Stimmung meiner ehemaligen Grundschule per E-Mail angeboten, honorarfrei bei ihnen zu lesen. Wahrscheinlich hatte ich unterbewusst geahnt, etwas für mein Karma tun zu müssen. Oder ich hatte gehofft, mich in das Kind zurückzuversetzen, das neugierig auf seine Zukunft war.
    Honorarfrei!
    Gibt es ein schrecklicheres Wort für einen Schriftsteller, der es gerade eben schafft, von der Kombination aus Tantiemen, Bücherverkäufen bei Veranstaltungen und Lesungsvergütungen zu leben? Deswegen hatte ich die Nachricht schnell bereut und auf ausbleibende Resonanz gesetzt.
    Fünf Tage später hatte die Direktorin jedoch geantwortet, um auf meinen Vorschlag einzugehen und mich um zwei Lesungen im Rahmen des jährlichen Sommerfestes zu bitten. Statt mich damit herauszureden, dass mein E-Mail-Account von Hackern gekapert worden sei, und auf meinen üblichen Honorarsatz zu verweisen, hatte ich zugesagt. Daher befand ich mich nun auf dem Weg in die Stadt, in der ich meine ersten einundzwanzig Lebensjahre verbracht hatte.
    Auf der Autobahn behinderten wie

Weitere Kostenlose Bücher