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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Glück noch Stern. Ich habe mich an einem Menschenherzen versündigt, und das ist eine Sünde, welche nicht vergeben werden kann.“
    „Und doch hat er Ihnen vergeben!“
    „Weil er mich vergessen hat!“
    „Er hat Sie nicht vergessen. Ich kann es Ihnen beweisen!“
    „Womit?“
    „Ich habe sogar den Auftrag, es Ihnen zu beweisen.“
    „Womit?“ wiederholte sie.
    „Damit!“
    Er griff in die Brusttasche und zog einen Samtkarton hervor, den er ihr überreichte. Sie öffnete ihn, und ein in Gold getriebener und mit Perlen und Diamanten besetzter Photographierahmen flimmerte ihr entgegen. Er enthielt – das Bild ihres Milchbruders in englisch-ostindischer Offiziersuniform.
    „Gustav, mein Gustav!“ rief sie.
    Beim Anblick der geliebten Züge vergaß sie, wer bei ihr war. Sie drückte das Bild an ihre Lippen, an ihre Brust; sie lachte und sie weinte. Sie erhob sich von ihrem Sitz und ging in tiefster Erregung im Zimmer hin und her. Fast wurde es ihm angst. War das der stille, warme, wonnige Sonnenstrahl? Nein, nein! Aber konnte es anders sein? Zwanzig Jahre der Selbstvorwürfe, des Weinens, der Trauer lag hinter ihr. Ihr Herz war einsam und verschlossen. Sie hatte ihre Kämpfe in stillen Nächten gekämpft. Ihr Herz, ihr Leben, ihr Dasein war unterwühlt. Eine gewaltige, hoffnungslose Liebe lag zusammengepreßt in der Tiefe ihres Herzens. Die gewaltige Expansivkraft derselben bedurfte nur des Funkens, um die Explosion, die Eruption hervorzubringen, welche jetzt erfolgt war. Der Blick auf das Bild des Geliebten war der Funke gewesen, und nun loderte die Liebe in hellen Lohen und Flammen aus ihr empor. Das konnte und mußte ganz von selbst und nur nach und nach zur Ruhe kommen!
    Der Fürst saß dabei, wie einer, welcher vor einem gewaltigen Feuer steht und sich gern hineinstürzen möchte, um zu retten, aber doch weiß, daß er selbst dabei verbrennen muß. Er kniff die Lippen zusammen und tippte mit den Spitzen seiner Finger sich die Tränen von den Wimpern.
    Da plötzlich trat sie vor ihn hin und sagte:
    „Durchlaucht, also ist er noch in Indien?“
    „Ja.“
    „Hätte er diese Engländerin nicht, ich würde noch heute nach Indien gehen, nach Kalkutta oder Madras, nach Bombay oder Benares; nein, nein, ich würde noch weiter gehen, nach China, Borneo, nach Australien, dreimal, zehnmal um die Erde herum, um ihn zu finden und ihm zu sagen, wie lieb ich ihn gehabt habe. Ich kann ihm nicht zürnen. Er hat mich unendlich lieb gehabt, ich weiß das gewiß; aber ich habe an ihm gezweifelt, ich habe ihn unter die Verbrecher geworfen; er konnte mich nicht mehr achten und also auch nicht mehr lieben, und darum hat er sein Glück an der Seite einer anderen gefunden. Ich ernte nur, was ich gesät habe. Aber eins kann und will ich tun. Eins.“
    „Was ist das, Baronesse?“
    „Die Rettung seines Andenkens. Er war unschuldig, und seine Unschuld will ich beweisen.“
    „Wird Ihnen das gelingen?“
    „Ich hoffe es.“
    „Haben Sie an dieser Aufgabe bereits gearbeitet?“
    „Nein. Und das ist eine große, große Unterlassungssünde, welche ich mir vorzuwerfen habe. Ich habe es für unmöglich gehalten, einen Faden zu finden. Aber heute, am Tag, da ich die Macht und Unendlichkeit der Gefühle erkannt habe, erkenne ich ebenso, daß diese Aufgabe zu lösen sei.“
    Er lächelte leise, fast mitleidig vor sich hin und fragte:
    „Wollen Sie einen Verbündeten haben?“
    „Wen?“
    „Mich!“
    „Sie? Sie wollen sich mir anschließen, Durchlaucht?“
    „Sehr, sehr gern. Habe ich doch bereits seit langem an der Lösung dieser Aufgabe gearbeitet.“
    „Sie?“ fragte sie abermals erstaunt.
    „Ja. Aus welchem Grunde glauben Sie wohl, daß ich Indien verlassen und mich hier angekauft habe?“
    „Um die Anschauungen und Errungenschaften des Abendlandes kennenzulernen.“
    Er zuckte die Achseln; diese Bewegung war eine beinahe verächtliche zu nennen.
    „Wohl dem Morgenländer, der diese Errungenschaften und Anschauungen lieber gar nicht kennenlernt“, sagte er. „O nein. Ich bin aus einem ganz anderen Grund hierher gekommen. Gustav Brandt ist mein Freund. Er lechzt förmlich nach der Kunde, daß seine Unschuld an den Tag gekommen sei. Er sehnt sich mit dem Heimweh des Schweizers nach seinem Vaterland, und er darf doch nicht in dasselbe zurück, bis der wirkliche Täter gefunden ist. Darum, und nur aus diesem Grund habe ich mich aufgemacht. Ich bin gekommen, seine Unschuld an den Tag zu bringen, und sollte es mich

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