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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sein.“
    „Mitschuldige.“
    Sie erschrak. Er hatte dieses eine, aber schwerwiegende Wort mit solchem Ernst, mit solcher Überzeugung ausgesprochen, daß sie annehmen mußte, er besitze Gründe dafür.
    „Mitschuldige?“ fragte sie. „Welche ihm geholfen haben, die Mordtaten auszuführen?“
    „Entweder dieses eine –“
    „Oder? Was ist das andere?“
    „Oder Mitschuldige, welche zufälligerweise Zeugen des Mordes waren, sich aber durch irgendwelche Gründe bestimmen ließen, für Franz von Helfenstein und gegen Gustav zu zeugen.“
    „Gott!! Daran habe ich noch nie gedacht!“
    „Und doch ist es sehr leicht, auf solche Gedanken zu kommen, wenn man die Verhältnisse betrachtet, welche sich seit jener Zeit ergeben und entwickelt haben.“
    „Welche Verhältnisse meinen Sie?“
    „Zum Beispiel die Verheiratung Ihres Cousins mit Ihrer früheren Zofe Ella.“
    „Diese Verbindung ist mir von jeher höchst merkwürdig gewesen. Ich habe sie mir allerdings zu erklären gesucht.“
    „Welche Erklärung fanden Sie?“
    „Ella war hübsch, raffiniert, schlau berechnend. Sie wollte hoch hinaus und hat den Cousin umgarnt.“
    „Ein schönes, raffiniertes, aber niedrig geborenes Mädchen vermag einen Edelmann nur dann zu umgarnen, wenn er eine grob sinnlich angelegte Natur ist. War Ihr Cousin eine solche?“
    „Ich möchte nicht Ja sagen. Er mag ein Roué gewesen sein, wie er es ja auch jetzt noch zu sein scheint, aber er war in eben dem Grad auch berechnend, habsüchtig, stolz und eingebildet.“
    „Überdies schien er Sie geliebt zu haben?“
    „Ich hatte die Ehre, ihn von seiner Liebe sprechen zu hören.“
    „Schön! Ella war unmöglich befähigt, Sie in seiner Liebe auszustechen. Es muß ein anderer, geheimerer Grund zur Verheiratung vorhanden gewesen sein.“
    „Vermögen Sie, ihn zu finden?“
    „Ich halte mich einstweilen an eine Hypothese.“
    „Bitte, darf ich sie erfahren?“
    „Sagen Sie erst, ob Sie sich entsinnen können, daß Ihr Cousin an jenem Tage, welcher den beiden Mordtaten voranging, einmal unter vier Augen mit Ihrem Vater gesprochen hat?“
    „Auch ich habe gerade daran öfters gedacht, und darum entsinne ich mich ganz genau, daß eine solche Unterredung stattgefunden hat.“
    „Ah, wann?“
    „Der Cousin hatte mich auf dem Tannenstein mit seiner Liebeserklärung belästigt, und Brandt war dazu gekommen. Kurz nach unserer Rückkehr von dort nach dem Schloß ist der Cousin bei Papa gewesen, aber in sehr schlechter Laune von ihm zurückgekehrt.“
    „Das stimmt ganz prächtig zu meinem Gedankengang. Ihr Cousin war ein notorischer Spieler; er hatte viele Schulden. Nicht?“
    „Allerdings!“
    „Er schuldete auch Ihrem Vater. Er wollte weiter von ihm borgen und bekam nichts. Ihre Liebe konnte ihn retten. Er erhielt von Ihnen und dem Vater einen Korb. Nur der Tod des Vaters konnte ihn seinem Ziel näher bringen. Er hatte zwei Ziele. Erreichte er das eine nicht, so erreichte er das andere sicher!“
    „Zwei Ziele?“
    „Ja. Haben Sie über das zweite noch nicht nachgedacht?“
    „Nein. Ich habe keine Ahnung von demselben.“
    „Und er hat es doch erreicht!“
    „Ich verstehe Sie nicht!“
    „Nun, so muß ich deutlicher sein, auch auf die Gefahr hin, grausame Erinnerungen in Ihnen aufzufrischen.“
    „Tun Sie es! Tun Sie es immerhin! Wenn ich nur Licht erhalte.“
    „Das eine Ziel war die Verbindung mit Ihnen. Mit Ihnen hoffte er fertig zu werden; aber der Vater mußte sterben.“
    „Und das andere?“
    „Das andere war der Besitz der Herrschaft Helfenstein. Da waren aber zwei im Weg, nämlich Ihr Vater und Ihr kleines Brüderchen, und beide mußten sterben.“
    Alma starrte den Sprecher wie abwesend an.
    „Großer Gott!“ rief sie. „Das könnte ja nur der Plan eines Teufels gewesen sein!“
    „Ja. Der Teufel aber hat gewollt, daß er gelinge.“
    „Haben Sie Gründe zu dieser Annahme?“
    „Ich sagte bereits, daß ich bis jetzt nur eine Hypothese aufbaue. Aber ich bin in Helfenstein gewesen; ich habe mich erkundigt; ich habe verglichen und berechnet. Ich habe gegraben wie der Bergmann, welcher weiß, daß er auf die Ader treffen muß, aber die Tiefe noch nicht kennt, in welcher sie liegt. Verschiedene Anzeichen lassen mich vermuten, daß ich bald, sehr bald auf diese Ader stoßen werde. Dann sollen Sie die erste sein, welche den Erfolg meiner Arbeit erfahren wird.“
    „So meinen Sie, daß jener Brand, bei welchem mein Brüderchen umkam, beabsichtigt

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