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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war?“
    „Ich bin moralisch überzeugt davon. Ich möchte sogar behaupten, daß man Ihr Brüderchen getötet und dann das Bett in Brand gesteckt hat, um den Mord zu vertuschen.“
    „Mein Gott, mein Gott, wie fürchterlich!“
    Sie saß da vor ihm, ein starres Bild des Entsetzens. Er aber ließ sich dadurch nicht beirren und fuhr fort:
    „Wir haben es also nur mit dem Plan zu tun, welcher gelungen ist – der zweite: Ihr Vater und Ihr Brüderchen mußten sterben. Zunächst der Vater. Die Gelegenheit war da – eine Jagd. Ein Dritter, auf den die Schuld geschoben werden konnte, auch, nämlich Brandt. Er hatte Ihren Cousin zur Rache gereizt, den Zorn Ihres Vaters herausgefordert und den Hauptmann von Hellenbach beleidigt. Hat Geld gefehlt, Baronesse?“
    „Es stellte sich erst später heraus, daß mehrere tausend Taler in Gold fehlten.“
    „Schön! Das paßt. Ihr Cousin war in Geldnot. Er sieht Brandt, im Kampf mit Blut befleckt, zu Ihrem Vater eilen, um ihn zu warnen. Er läßt Brandt fort und begibt sich dann auch zu Ihrem Vater. Er schneidet ihm den Hals durch und steckt so viel Geld ein, als er gerade braucht. Das Messer, mit welchem der Mord vollbracht wurde, läßt er liegen, um den Verdacht auf Brandt zu lenken, dem er es am Nachmittage gestohlen hat, als er Sie mit ihm belauschte. Er geht, schließt die Tür zu und steckt den Schlüssel ein, begegnet aber unglücklicherweise wem –?“
    „Nun, wem?“
    „Ella, der Zofe!“
    „Ah, ich ahne!“
    „Nicht wahr? Sie hat gewußt, wer der Mörder war, und ihn gezwungen, sie zu heiraten. Ich habe erfahren, daß sie am Tag vor der Verhandlung ihn besucht hat. Sie sind noch an demselben Tag zum Pfarrer gegangen. Die Verlobung wurde unter diesem Datum eingetragen. Ich habe sie kürzlich gelesen.“
    Alma war ganz Ohr.
    „Jetzt wird es hell in mir, furchtbar hell!“ sagte sie.
    „Oh, hören Sie nur weiter! Wer war es, wer Gustav Brandt aus dem Waggon befreite, als er nach dem Zuchthaus transportiert werden sollte?“
    „Der Schmied und sein Sohn.“
    „Schön! Welche Veranlassung hatten beide zu dieser an und für sich höchst gefährlichen und von unserer Seite aus lobenswerten Tat?“
    „Ich weiß keinen Grund. Vielleicht taten sie es aus Freundschaft für Brandt und dessen Vater.“
    „War die Freundschaft zwischen dem Förster und dem Schmied so groß?“
    „Ich könnte es nicht behaupten.“
    „Oder zwischen den Söhnen dieser beiden?“
    „Ebensowenig.“
    „Nun, so kenne ich nur zwei Gründe, welche wir untersuchen wollen!“
    „Ich habe keine Ahnung von noch zwei Gründen. Ich erkenne heute sehr deutlich, daß der Mann im Beobachten und Kalkulieren weit über unserem Geschlechte steht.“
    „Desto mehr stehen wir den Damen in Beziehung der Feinheiten des Gemütslebens nach. Übrigens ist das erstere kein Verdienst für uns, da wir nach der Behauptung der Anatomen ein weit größeres Gehirn besitzen, als die Wesen, nach deren Liebe wir trotzdem so sehnlich trachten. Also meine zwei Gründe! Der erste lautet: Die beiden Schmiede sind zu der Tat gedungen worden.“
    „Von wem aber?“
    „Es gibt nur zwei Personen, denen man so etwas zumuten konnte; nämlich entweder Sie oder der alte Förster.“
    „Mir lag ein solcher Gedanke damals leider fern.“
    „Dem Förster ebenso. Dieser wollte doch sogar partout, daß sein Sohn sich hinrichten lassen solle. Es bleibt uns noch der zweite Grund übrig, und das ist ein psychologischer. Nämlich, die beiden haben Brandt aus Gewissensbissen gerettet.“
    „Ah! Wie soll ich das verstehen?“
    „Sie waren Zeugen des Mordes an dem Hauptmann. Sie wußten, wer der Mörder war; sie konnten nicht für ihn auftreten, weil sie gezwungen waren, zu schweigen. Ihr Gewissen schlug. Sie wollten es zum Schweigen bringen und erreichten es dadurch, daß sie Brandt zur Flucht verhalfen. Der Überfall des Wachtmeisters war zwei solchen Paschern keine allzugroße Heldentat.“
    „Auch hier wieder eine Perspektive, von deren Dasein ich nichts ahnte. Ich bewundere Sie, Durchlaucht!“
    Er lächelte ruhig, beinahe traurig, und sagte dann:
    „Sie werden mich noch mehr bewundern! Sie trafen Brandt im Wald. Der Hauptmann wollte ihm Abbitte tun; er wartete, bis sie sich entfernten und trat dann zu ihm. Ihr Cousin war Ihnen gefolgt; er fand Brandts Gewehr und schoß den Hauptmann nieder. Als dieser tot am Boden lag und Sie ohnmächtig in Brands Armen, schlich er näher und steckte dem Nichtsahnenden den Zimmerschlüssel

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