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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zustimmend.
    „Ja, ja. Wenn der heutige Coup mißlingt, dann ist ihm sein Brot gebacken. Alle waren gegen die Tannenschlucht; er aber bleibt bei seinem Willen. Werden wir gepackt, so bekommt er eine Kugel – ganz besonders meines Bruders wegen, den er ins Gras hat beißen lassen.“
    Brandt verstand diese letzteren Worte nicht vollständig. Er konnte auch gar nicht wissen, daß Ellas Bruder gemeint war, der Anführer der Schmuggler.
    Er hatte genug gehört; er konnte sehr leicht bemerkt werden und entschloß sich daher, sich lieber zurückzuziehen. Noch nicht einmal in Helfenstein und bei den Eltern angekommen, sah er sich bereits von einem ganz bedeutenden Schmugglerunternehmen unterrichtet. Das war ein Glück! Er hatte gehört, daß man einigermaßen Respekt vor ihm hatte, und nun bot sich ihm die Gelegenheit, das Vertrauen, welches ihm seine Vorgesetzten erwiesen hatten, gleich am ersten Tage zu rechtfertigen. Er wollte erst den Tannenstein ersteigen, um zu sehen, was Ella eigentlich gemeint habe, und dann aber schleunigst die geeigneten Maßregeln zur Habhaftwerdung der heutigen Konterbande ergreifen.
    Er klimmte die steile Höhe mit Leichtigkeit empor. Er war als Knabe diesen nicht ungefährlichen Pfad viele hundert Male emporgestiegen. Er erreichte die Plattform und stand bereits im Begriff, durch das hier befindliche Wildkirschengebüsch sich nach der andern Seite zu drängen, wo die Aussicht eine freiere war, als er plötzlich in dieser Bewegung inne hielt.
    „Ah, das ist sie!“ flüsterte er. „Das ist Alma! O Gott, wie schön, wie schön sie geworden ist!“
    Sein Auge war mit entzücktem Ausdruck auf die Gestalt des schönen Mädchens gerichtet, welches da vorn an der Balustrade lehnte. Gibt es schon von Künstlerhänden gefertigte Bilder reizender Frauen, von denen man den Blick fast nur mit Gewalt abzuwenden vermag, wieviel mehr muß das Auge gefesselt sein von einem Meisterstück des Schöpfungswerkes. Und Alma war ein solches Meisterwerk. Wenn der Mann ein Bild der göttlichen Allmacht und das Weib ein Bild der geistigen Liebe sein soll, so war das herrliche Wesen, welches hier von dieser Höhe in die Tiefe niederschaute, eine ganz unvergleichliche Inkarnation des Gedankens einer Liebe, welche die Bestimmung hat, die Erde mit der Seligkeit des Himmels zu begnadigen.
    Zwar vermag die Feder des Dichters manches und vieles zu schildern, was der Pinsel des Malers und der Meißel des Bildhauers nicht wiederzugeben vermögen; aber die Schönheit Almas zu beschreiben, das wäre eine Unmöglichkeit. Die Vorzüge der Zirkassierin, der Hindu, der Perserin, der Europäerin, des Fellahweibes waren hier in einer Person zu einem harmonischen Ganzen vereinigt, dessen einzelne Schönheiten zu klassifizieren geradezu Vermessenheit gewesen wäre. In ein weißes Gewand gekleidet, über welches die langen, dichten, goldblonden Locken sinnbetörend niederfluteten, glich dieses Mädchen einer jener Feen- oder Engelsgestalten, von denen uns unsere Märchen erzählen, und welche uns die Phantasie nur im Traum hervorzuzaubern vermag. Dieses helle, metallisch schimmernde Haar, die reine, unschuldsvolle Stirn, das große azurblaue Auge, dessen Himmel keine Sonne zu besitzen, sondern selbst Sonne zu sein schien, dieser Teint, vom Schöpfer aus Schnee und Morgenrot komponiert – das alles war so hell, so lichtreich, als habe die Sonne eine ihrer Bewohnerinnen herniedergesandt, um zu offenbaren, warum sie leuchtet.
    „Ja, sie ist es noch“, lispelte Gustav Brandt, „was sie früher war, wie ich sie immer nannte: ein warmer, reiner, goldener Sonnenstrahl!“
    Und doch bemerkte er, daß es trüb auf ihrem schönen Angesichte lag, gar nicht wie ein Sinnen der Zufriedenheit und des Glücks. War es wahr, daß sie einen Bräutigam hatte? Und war es gerade dieser Umstand, welcher sie so traurig stimmte? Fast schien es ihm, als ob sie geweint habe.
    Er hielt das Auge lange und forschend auf sie gerichtet. Sie war noch die alte und doch zugleich eine andere, eine ganz andere, so daß Gustav zögerte, sich ihr bemerkbar zu machen. So lieb, gut und mild, ganz wie früher, war sie doch jetzt von einer Hoheit umflossen, welche jede unerlaubte Annäherung zur Sünde zu erklären schien. Und doch stand gerade in diesem Augenblick eine solche Annäherung bevor. Es wurden Schritte hörbar. Als Alma sich langsam umdrehte und den Nahenden erblickte, umdüsterte sich ihr Angesicht noch mehr. Franz von Helfenstein, ihr Cousin, war es,

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