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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lebte. Darum warf sie einen Mantel um und eilte in ihrer Besorgnis nach der Tannenschlucht. Sie empfand in ihrem Herzen ein heißes Wogen und Wallen, über welches sie sich noch keine klare Rechenschaft gab.
    Auch der Hauptmann von Hellenbach war bereits munter. Er sah Alma über den Schloßhof gehen.
    „Wahrhaftig, da spaziert sie fort!“ zürnte er. „Und wohin? Jedenfalls zu dem geliebten Milchbruder. Ich werde ihr folgen, um zu beobachten, was geschieht.“
    Und als er das Schloß verließ, stand der Baron droben an seinem Fenster und brummte zufrieden vor sich hin:
    „Da ging sie, und da geht er. Beim Förstersohn treffen sie sich, und da geht der Spektakel los. Ob ich dabei vielleicht etwas profitieren kann? Ich werde es versuchen. Mich soll übrigens verlangen, was sie sagen, wenn sie den Alten tot finden.“
    Auch er begab sich auf den Weg, welcher nach der Tannenschlucht führte. Dort lagen noch die Zeugen des Kampfes, einige Leichen und Schwerverwundete und die erbeuteten Pakete, bewacht von den siegreichen Grenzaufsehern. Man mußte alles liegen lassen, bis die Gerichtspersonen, nach denen bereits geschickt worden war, gekommen waren, um den Sachbefund aufzunehmen.
    Gustav hatte gestern eine weite Fußtour gemacht und des Nachts nicht geschlafen. Er wollte bei der Ankunft der gerichtlichen Kommission zugegen sein und ging daher nicht nach dem Forsthaus, wo er bequemer hätte ruhen können. Er blieb in der Tannenschlucht, zog sich jedoch ein wenig seitwärts in den Wald hinein, um sich in das weiche Moos hinzustrecken. Seine Doppelbüchse lehnte an dem Baum neben ihm; die beiden Läufe waren natürlich geladen.
    Indem er so dalag und mit dem Schlaf kämpfte, war es ihm, als ob er das leichte Trippeln von Frauenfüßchen vernehme. Er erhob sich und tat einige Schritte nach dem Weg hin, welcher hier vorüberführte. Man denke sich seine Freude, als er Alma erblickte, welche soeben vorbei wollte.
    „Wohin will mein Sonnenstrahl?“ fragte er, indem er zwischen den Bäumen hervortrat.
    Sie eilte sofort auf ihn zu und gab ihm die Hand.
    „Ich mußte sehen, ob du noch lebst, mein lieber Gustav“, sagte sie. „Wie? Dein Rock ist voller Blut. Bist du verwundet?“
    „Nein. Ich wollte einen angeschossenen Pascher, welcher fliehen wollte, festhalten und habe mich dabei beschmutzt. Im Schloß ist doch kein Unglück passiert?“
    „Nein. Was sollte denn geschehen sein?“
    „Zwei Pascher wollten deinen Papa durch das Fenster erschießen.“
    „Mein Gott!“ rief sie erschrocken. „Ich habe noch gar nicht mit dem Vater gesprochen; er war noch nicht wach. Ich horchte an seiner Tür und fand alles still. Himmel, wenn er tot wäre!“
    „Hast du Schüsse im Schloß gehört?“
    „Nein.“
    „So darfst du ruhig sein. Ich war bei ihm und habe ihn gewarnt.“
    „Du? Bei ihm? Nachdem er dir den Zutritt untersagt hatte?“
    „Ja. Ich hielt es für meine Pflicht, ihm selbst die Mitteilung zu machen, wurde aber allerdings nicht gut von ihm empfangen.“
    „Er wird nicht ewig zürnen. Der Hauptmann hat ihm die Begebenheit falsch geschildert. Wie denkst du in Beziehung der Satisfaktion?“
    „Daran denke ich jetzt nicht. Man muß das später überlegen.“
    „So bin ich beruhigt und kann zurückkehren. Lebe wohl!“
    Sie reichte ihm abermals die Hand, schlug den Mantel fester um sich herum und ging. Wie glücklich machte ihn die Aufmerksamkeit, welche sie für seine Person an den Tag gelegt hatte!
    Baron Franz war dem Hauptmann gefolgt. Da dieser letztere sich in die Büsche links vom Wege schlug, so blieb er auf der rechten Seite des letzteren. Der Hauptmann wollte Alma mit Brandt, der Baron aber alle drei belauschen.
    Dieser letztere schritt leise unter dem Schutz der Bäume und Sträucher hin, bis er eine männliche und eine weibliche Stimme hörte. Er schlich sich dem Schall nach und erkannte, daß er Brandt und Alma vor sich habe. Und grad da, wo er sich befand, lehnte die Doppelbüchse des Förstersohns an dem Stamm eines Baums. Der Baron untersuchte sie.
    „Sie ist geladen, wahrhaftig geladen!“ murmelte er. „Jetzt sollte der Hauptmann hinzukommen! Er sollte mich nie wieder an mein Ehrenwort erinnern, und dieser Brandt, den sie liebt, müßte als Doppelmörder auf das Schafott!“
    Er kniete nieder, um nicht so leicht gesehen zu werden, und doch alles besser beobachten zu können. Er bemerkte, daß Alma sich von dem Milchbruder verabschiedete. Kaum aber hatte sie sich entfernt, so trat aus dem

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