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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie Vermögen?“ fragte er dann.
    „Nein“, antwortete sie stockend, und dabei blickte sie ihn so verwundert an, als ob er die größte Ungereimtheit ausgesprochen habe.
    Er setzte das Verhör fort. Sie beantwortete seine Fragen sehr langsam und zögernd. Das machte ihn doch ungeduldig. Er sagte:
    „Antworten Sie schneller! Warum überlegen Sie sich denn jedes Wort, bevor Sie es aussprechen, so lange?“
    „Ich muß nachdenken“, entschuldigte sie sich.
    „Warum erst nachdenken? Haben Sie Angst, sich zu verraten?“
    Wieder blickte sie ihn verwundert an und antwortete dann:
    „Ich habe nichts zu verraten, aber mein Kopf.“
    „Was ist's mit Ihrem Kopfe?“
    „Er ist so schwer! Und doch fühle ich keine Gedanken darin.“
    Er kam nach und nach zu der Überzeugung, daß er auch mit ihr auf das Vorsichtigste verfahren müsse, da sie geistig höchst angegriffen sei. Er erfuhr alle ihre Verhältnisse und konnte doch keine Schuld auf sie bringen, wenigstens in Beziehung auf ihren Bruder nicht. Vieles hatte sie geradezu vergessen, und zwar nach so kurzer Zeit! Sie wußte, daß ihr Bruder sich das Geld geborgt hatte, aber bei wem, das vermochte sie bereits nicht mehr zu sagen.
    Während des Verhörs wurde auch die Familie Fels erwähnt. Der Assessor hatte die Untersuchung gegen den jungen, unglücklichen Mechanikus nicht zu führen, aber er glaubte irgendeinen Fingerzeig für den betreffenden Kollegen zu erhalten; darum fragte er:
    „Haben Sie die Fels, Mutter und Sohn, gekannt?“
    „Ja.“
    „Verkehrten Sie mit Ihnen?“
    „Ja. Ich war täglich bei ihnen.“
    Und bei dem Gedanken an Wilhelm wich die geistige Erstarrung für kurze Zeit von ihr, und darum fügte sie freiwillig hinzu:
    „Er hat es nicht bös gemeint.“
    „Nicht bös? Wer?“
    „Der Wilhelm.“
    „Und was?“
    „Das mit der Maschine und dem Arbeitsmaterial.“
    Sie hatte gar keine Ahnung, daß sie im Begriff stand, sich selbst als Mitwisserin seines Geheimnisses zu denunzieren.
    „Ah, Sie haben davon gewußt?“ fragte der Assessor.
    „Er hat es mir gesagt.“
    Und entschuldigend fuhr sie fort:
    „Er hätte seinem Prinzipal ganz sicher alles bezahlt!“
    Es tat dem Beamten ganz sicherlich leid, daß sie so unvorsichtig war, sich mit in diese Angelegenheit zu verwickeln, aber er war nun gezwungen, weiterzuforschen. So erfuhr er, daß sie Wilhelms Geliebte sei und seit langer Zeit von der Maschine gewußt habe. Als er zu Ende war, sagte er, nicht ohne einen Blick des Bedauerns und in seinem mildesten Ton:
    „Ich sehe mich leider gezwungen, Sie hierzubehalten!“
    Sie blickte ihn verständnislos an.
    „Wissen Sie, was ich meine?“ fragte er.
    „Nein.“
    „Ihr Bruder ist bei einem Einbruch ergriffen worden, sogar mit einer lebensgefährlichen Waffe, einem Messer in der Hand. Ist er schuldig, so steht zu erwarten, daß Sie Mitwisserin sind. Ihr Geliebter hat Arbeitsmaterial unterschlagen. Sie haben davon gewußt, Sie sind seine Mitschuldige. Ich kann Sie nicht eher fort lassen, als bis diese beiden Fälle zum Rechtsspruch gekommen sind.“
    „Wo soll ich da bleiben?“
    „Man wird Sie in eine Gefängniszelle bringen.“
    Jetzt kam ihr eine Ahnung dessen, was ihr bevorstand. Sie fragte, am ganzen Leib bebend:
    „Gefangen soll ich sein, gefangen?“
    „Leider!“
    Da schlug sie die Hände vor das Gesicht und schrie laut auf:
    „Gefangen! Herr, da werde ich sterben!“
    Sie schluchzte nicht; sie weinte nicht; sie nahm die Hände nicht vom Gesicht fort. Er wartete eine Weile; dann trat er zu ihr und sagte:
    „Fassen Sie sich! Es ist nicht so arg, wie Sie es sich vorstellen. Kommen Sie! Ich selbst werde Sie dem Wachtmeister übergeben und ihm befehlen, gegen Sie alle mögliche Rücksicht walten zu lassen!“
    Er zog ihr die Hände weg und erblickte ein Gesicht, so todesbleich, so starr und ausdruckslos wie dasjenige einer Leiche.
    „Fräulein Bertram!“
    Sie antwortete nicht, und sie bewegte sich nicht.
    „Kommen Sie! Stehen Sie auf!“
    Sie war auf einen Stuhl niedergesunken. Er wollte sie aufrichten, aber sie war fast so schwer wie Blei.
    „Fassen Sie sich!“ bat er weiter. „Es wird Ihnen voraussichtlich nichts geschehen. Nur jetzt müssen Sie sich in das Unvermeidliche fügen. Doch wird man es Ihnen auf alle Weise zu erleichtern suchen.“
    Er zog, aber er brachte sie nicht empor. Er klingelte, und der Wachtmeister erschien. Es war der brave Christian Uhlig, der Sohn des einstigen Helfensteiner Totengräbers.
    „Das Mädchen

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