60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
habe nämlich Veranlassung, anzunehmen, daß ich bereits nächster Tage, vielleicht schon morgen, in der Lage bin, jemand zu brauchen, der die Zimmer des Barons und der Baronin genau kennt.“
„Das wird seine Schwierigkeiten haben!“
„Bist du ein Dummkopf?“
Anton schüttelte sich, als ob er vor irgend etwas Abscheu hege.
„Also gut!“ fuhr der Fürst fort. „Vielleicht bin ich sogar gezwungen, noch mehr von dir zu verlangen. Ich vermute nämlich, daß ich bestohlen werden soll.“
„Du?“ fiel da der alte Förster überrascht ein.
„Ja, ich“, antwortete der Gefragte.
„Wann?“
„Nächstens, vielleicht schon morgen.“
„Das soll man nur schön bleiben lassen! Wer hier die Nase sehen läßt, dem schieße ich zehn Läufe Schrot ins Gesicht!“
„Das ist nicht meine Absicht, lieber Vater.“
„Nicht? Was denn? Willst du dich bestehlen lassen?“
„Vielleicht!“
„Was? Donnerwetter! Man soll hier ausräumen dürfen?“
„Gewiß!“
„Aber, Kerl, Gustav! Bist du klug?“
„Ich hoffe!“ Und sich wieder zu dem Diener wendend, fuhr er fort: „Du weißt, unter welchen Bedingungen ich dich engagiert habe, und ebenso bist du auch überzeugt, wie sehr ich dir vertraue –“
„Mein gnädiger Herr, ich gehe für Sie ins Feuer!“ fiel Anton ein.
„Ich weiß das, und darum habe ich grad dich für das Schwierige auserwählt. Also, ich sagte, daß ich nächster Tage vielleicht bestohlen werde. Es liegt mir nun daran, zu erfahren, wer die Gegenstände besitzen wird, der Baron von Helfenstein oder die Baronin, seine Frau.“
Der Diener machte ein höchst erstauntes Gesicht; der alte Förster aber fuhr geradezu vom Sitz empor.
„Alle Teufel!“ rief er. „Sind sie es, welche dich bestehlen werden oder bestehlen wollen?“
„Ja“, nickte Gustav.
„Wie denn?“
„Entweder eigenhändig oder durch Dritte.“
„Ah, ich verstehe, ich verstehe! Und du läßt es dir gefallen?“
„Ja, natürlich nur, um sie desto fester zu haben. Nun also, Anton, hast du dich von deinem Erstaunen erholt?“
„Ja. Was ich hörte, war allerdings so, daß ich hoffe, mein Erstaunen werde Verzeihung finden.“
„Dieses Mal noch; dann aber nicht mehr. Ein guter Diener findet an einem Auftrag seines Herrn nichts zu staunen! Also, ich setze den Fall, die Baronin käme des Abends zu mir auf Besuch und fände etwas, was sie des Einsteckens für wert befände, ein Geschmeide zum Beispiel oder sonst etwas dem Ähnliches. Sie brächte es nach Hause; wäre es mir da möglich, noch an demselben Abend zu erfahren, wohin sie es gesteckt hat?“
Der Diener machte ein halb drolliges und halb verlegenes Gesicht.
„Nun?“ fragte der Fürst.
„Hm!“ antwortete der Gefragte achselzuckend.
„Höre, Anton, du weißt, warum ich lauter tüchtige und ausgezeichnete Polizisten als Diener engagiert habe?“
„Allerdings, Durchlaucht.“
„Ich habe euch mir vom Polizeiminister erbeten, und dich hat die Exzellenz am besten empfohlen.“
„Das ist mir eine hohe Auszeichnung!“
„Willst du diese Empfehlung zuschanden machen?“
„Durchaus nicht; aber der gnädige Herr geben vielleicht zu, das die Aufgabe, welche mir jetzt zuerteilt wird, ihre großen, ihre außerordentlichen Schwierigkeiten hat?“
„Gewiß! Aber ist die Lösung unmöglich?“
„Nein. Stehen mir die Dietriche zur Verfügung?“
„Alles was du brauchst.“
„So bitte ich, mir zwei Stunden des Nachdenkens zu erlauben!“
„Um mir dann zu sagen, ob du die Aufgabe übernehmen wirst oder nicht? Meinst du es so?“
„Nein, sondern ich meine, um dann klar darlegen zu können, in welcher Weise ich diese Aufgabe zu lösen beabsichtige. Ich muß mich doch der Zustimmung Euer Durchlaucht versichern.“
„Das ist etwas anderes! Also, die zwei Stunden sind gewährt!“
Er winkte zur Entlassung, und Anton entfernte sich.
„Kein dummer Kerl!“ meinte der Förster.
„Und treu, verschwiegen und zuverlässig wie alle, welche der Minister mir zur Verfügung gestellt hat“, fügte Gustav hinzu.
„Ja“, meinte der alte Brandt mit einem Anflug von Stolz, „es ist doch gut, wenn man einen Studiengenossen hat, der im Alter von vierzig Jahren bereits Polizeiminister ist! Aber wie kommst du auf den Gedanken, daß du bestohlen werden sollst?“
„Ist dieser Gedanke so unbegreiflich? Bin ich nicht als der reichste Mann der Residenz oder gar des ganzen Landes bekannt?“
„Das ist wahr. Wenn also der ‚Hauptmann‘ gewisse Absichten hat,
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