60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
sondern der eine der Polizisten.“
„Das dachte ich mir. Er hat die Steine bereits in der Hand gehabt und sie dann scheinbar herausgenommen.“
Der Baron sah die Baronin ganz betreten an.
„Meinst du etwa, daß ich dieser Fabel Glauben schenken soll?“ fragte er.
„Ob du mir glaubst, das ist doch jedenfalls Nebensache“, antwortete sie. „Es kommt hier auf die Ansicht an, welche der Richter hat.“
„Donnerwetter! Glaubst du, daß es geraten sei, diese Angelegenheit vor den Richter kommen zu lassen?“
„Warum nicht? Ich sehe keine Gefahr dabei. Wer ist denn dieser sogenannte Fürst des Elends?“
„Es wäre mir sehr lieb, wenn du mir diese Frage beantworten wolltest!“
„Eine märchenhafte Persönlichkeit!“
„Also doch immerhin eine Persönlichkeit, also eine wirkliche, reale Existenz. Und ich habe nicht nur zu erwägen, daß diese Person mir bereits ungeheuren Schaden verursacht hat, und daß sie alles, was sie tut, nur gegen den ‚Hauptmann‘ richtet, also gegen mich, sondern ich darf mir auch nicht verschweigen, daß dieser Mann unter einem hohen Schutz steht. Die Polizei ist mit ihm; das sagt er nicht nur, sondern das ist ein unumstößliches Faktum.“
„Hat der Mensch, welcher vorhin bei uns war, bewiesen, daß er der Fürst des Elends ist?“
„Wie sollte er das tun?“
„Auf irgendeine Weise.“
„Nun, so hat er es getan. Er kannte deine Unterredung mit Befour; er kannte sogar den Umstand, daß ich einen Diener des letzteren engagiert habe; er kannte auch deinen famosen Gang zum Juden Salomon Levi, den du wohl nicht in Abrede stellen kannst, und er wußte schließlich auch das Versteck der Steine. Ist dieser Mann, der sich ganz allwissend zeigt, nicht Gott oder der Teufel, so ist er der Fürst des Elends!“
„Vor dem du dich fürchtest!“ höhnte sie. „Ich an deiner Stelle hätte ihn längst gefaßt und unschädlich gemacht!“
„Sage mir nur, wie du das anfangen wolltest! Übrigens hast du es gehört, daß er mich warnte, bei Zeiten eines Einbruches eine Waffe einzustecken. Er hat mich durchschaut. Er weiß, daß ich der ‚Hauptmann‘ bin.“
„Pah! Er schlug doch nur auf den Strauch.“
„Ich weiß, was ich zu denken habe, und nun will ich auch wissen, wie ich mit dir halte. Wir schweben in der größten Gefahr. Ich muß klarsehen können, um gegen diese Gefahr gerüstet zu sein!“
Er war unruhig im Zimmer auf und ab geschritten; jetzt blieb er vor ihr stehen und blickte sie erwartungsvoll an. Sie nickte leise mit dem Kopf und antwortete:
„So lasse ich es mir gefallen! Stellst du deine Fragen in dieser Weise, so bin ich nicht abgeneigt, sie zu beantworten; aber durch Drohungen und Schimpfwörter lasse ich mir nichts entlocken. Wir stehen uns als Eheleute und ebenso geistig wie moralisch gleich. Befehlen lasse ich mir nichts. Habe ich einen Fehler begangen, so hast du dir sogar Verbrechen vorzuwerfen. Wenn du klug bist, so behandelst du mich ganz auf gleichem Fuß!“
Seine Brauen zogen sich finster zusammen. Es war ihm anzusehen, daß er keine große Lust hatte, auf eine Gleichstellung einzugehen; aber er trug dem gegenwärtigen Augenblick Rechnung und sagte:
„Wenn ich auch gegen die Behandlung auf gleichem Fuß im allgemeinen nichts sagen will, so bist du es in der gegenwärtigen Angelegenheit, welche den Fehler gemacht hat. Ich hoffe, daß du den Mut hast, ihn offen einzugestehen. Du hast die Diamanten gestohlen?“
„Gestohlen!“ brauste sie auf.
„Nun, so sagen wir, an dich genommen.“
„Ja.“
„Wann?“
„Gestern abend.“
„Der Fürst hatte sich auf einen Augenblick entfernt?“
„Ja.“
„Und man hat dich dabei beobachtet?“
„Ich bin überzeugt, daß kein Mensch mich gesehen hat.“
„Aber man weiß es doch!“
„Das muß auf Kombination beruhen!“
„Was wolltest du mit den Diamanten tun?“
„Sie vor allen Dingen in Sicherheit bringen. Man konnte ja nicht wissen, ob der Einbruch auch wirklich gelingen werde.“
„Das mache mir nicht weis! Du hast sie für dich allein behalten wollen.“
„Beweise das!“
„Du hast mir nach deiner Rückkehr deinen Besuch beim Fürsten ausführlich beschrieben. Wären deine Absichten gegen mich ehrliche gewesen, so hättest du mir gesagt, daß du im Besitz der Diamanten warst. Und dann wären sie noch jetzt in unserem Besitz.“
„Oho! Man hätte sie ebenso geholt!“
„Man hätte sie nicht mehr gefunden! Ich durchschaue dich. Aber ich will mich nicht noch weiter
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