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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ihnen von heute an fünf Tage Zeit. Befindet sich dann die Baronin von Helfenstein als geisteskrank in der Heilanstalt zu Rollenburg, so werde ich schweigen, und nicht einmal der Fürst von Befour soll von dem Diebstahl erfahren. Ist die Dame aber noch hier, so lasse ich sie arretieren und exemplarisch bestrafen. Dies ist mein einziges und letztes Wort in dieser Angelegenheit. Ihnen aber, Herr Baron, gebe ich den guten Rat, nicht so oft den Revolver einzustecken, besonders in der Nacht eines Einbruchs; man könnte Sie sonst für einen Freund des geheimnisvollen ‚Hauptmanns‘ halten oder gar für diesen selbst! Denken Sie über meine Worte nach, und seien Sie überzeugt, daß ich mir von meinen Bedingungen nicht ein Pünktchen abhandeln lassen werde. Wir werden uns nie sehen, als nur dann, wenn Sie mich zwingen, als Ihr Feind aufzutreten. Leben Sie wohl!“
    Er ging, und seine beiden Begleiter folgten ihm.
    „Habt Ihr die Steine gezählt?“ fragte er unterwegs.
    „Ja. Es fehlt keiner.“
    „Was sagte der Baron, als er sie in der Konsole entdeckte?“
    „Er machte zunächst ein Gesicht, als ob er die Posaunen des Jüngsten Gerichts höre; dann wollte er sprechen, brachte aber vor Entsetzen kein einziges Wort hervor, und endlich rannte er fort, uns ganz allein zurücklassend. Ich möchte Zeuge der Szene sein, welche es jetzt, nach unserer Entfernung, zwischen ihm und seiner Frau Gemahlin gibt!“
    Diese Antwort hatte Anton gegeben. Adolf fügte hinzu:
    „Mir scheint es dringlicher, zu wissen, was man von ihm in Beziehung des geheimen Hauptmanns zu denken hat!“
    „Ich denke, daß wir uns da geirrt haben. Ich glaube nicht, daß er mit dem Hauptmann etwas zu tun hat. Er ist während des Einbruchs im Kasino gewesen, während du doch mit dem Hauptmann gesprochen hast.“
    „Hm! Ist es auch wirklich der Hauptmann gewesen, der sich für ihn ausgegeben hat? Ich glaube nicht, daß man darauf schwören kann. Die Einbrecher hatten auf so bedeutende Wertsachen gerechnet, daß sie überzeugt sein mußten, die Tat werde ein so außerordentliches Aufsehen erregen, daß man selbst so hochgestellte Personen nicht schonen werde, falls ein Verdacht auf eine solche fallen sollte. Da war für alle Fälle ein Alibi angenehm. Der Hauptmann gehört jedenfalls in die besseren Gesellschaftskreise; er wird ganz gewiß auf ein solches Alibi bedacht gewesen sein.“
    Er hatte mit dieser Vermutung das Richtige getroffen. Helfenstein war ja des Alibis wegen in das Kasino gegangen. Er war dann mit der Überzeugung zurückgekehrt, daß der Streich gelungen und er dadurch ein steinreicher Mann geworden sei; der letzte Auftritt aber hatte ihn aus allen Himmeln gerissen. Er fühlte eine Hölle von Sorge, Angst, Wut und Qual in seiner Brust.
    Er hatte die drei Männer bis an die Treppe begleitet, um sich zu überzeugen, ob sie das Palais auch wirklich verlassen würden. Dann, wieder umkehrend, fühlte er nach dem kleinen Täschchen seiner Weste.
    „Die Tinktur ist noch da“, murmelte er. „Der Rest von dem, was der Riese bekommen hat, wird hinreichen, auch bei dieser Diebin dieselbe Wirkung hervorzubringen.“
    Er fand die Baronin ganz kraftlos noch in demselben Sessel sitzen, in welchem sie die Bedingungen des Fürsten angehört hatte. Sie war todbleich und hielt die Augen geschlossen. War sie etwa zu feig, als daß sie der ihr drohenden Gefahr mit offenem Auge hätte entgegenblicken können?
    Der Baron zog die Portieren zu, damit das, was im Zimmer gesprochen wurde, nicht hinausdringen solle. Dann verschlang er die Arme über die Brust und schritt langsam im Zimmer auf und ab.
    Er wußte kaum, wie er beginnen solle. Es wirbelte ihm im Kopf, und vor dem Ohr war es ihm, als ob er das Summen von Millionen von Insekten vernehme. Er wollte nicht eher zu sprechen anfangen, als bis er sich über das zu Sagende klargeworden war.
    Die Baronin behielt die angenommene Stellung bei. Vielleicht zog sie nur deshalb vor, die Augen nicht zu öffnen, weil sie entschlossen war, nicht das erste Wort zu sprechen, oder weil sie nicht durch ihre Blicke verraten wollte, was jetzt in ihrem Inneren vorging.
    Endlich blieb er vor ihr stehen, musterte mit einem stechenden, haßerfüllten Blick ihre weich in den Sessel hingegossene Gestalt und stieß in tief grollendem Ton hervor:
    „Frau Baronin!“
    Sie antwortete nicht.
    „Frau Baronin!“ wiederholte er.
    Da öffnete sie die Lider. Ihre langen, seidenen Wimpern hoben sich, und ihr Auge richtete sich mit einer

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