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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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weiß ich selbst nicht. Er will sie dem Wachtmeister schenken. Vielleicht hat dieser ihm zu der Stelle verholfen.“
    „So wird es sein. Wie aber wollt ihr den Sack Kartoffeln nach der Residenz bringen?“
    „Ja“, meinte der Alte, indem er sich hinter den Ohren kratzte. „Das ist ein schlimmes Ding! Mit der Eisenbahn oder mit der Post?“
    „Vielleicht weiß ich Hilfe. Ich will übermorgen einen Verwandten besuchen, und da komme ich an der Residenz vorbei.“
    „Ah! Willst du so gut sein und die Kartoffeln mitnehmen?“
    „Gern!“
    „Abgemacht, Gevatter! Ich sacke sie morgen ein und bringe sie dir hinunter. Aber, da, hm, ich muß hinaus. Da kommt ja schon das Begräbnis!“
    Er hatte einen Blick durch das Fenster geworfen. Der Schmied wußte wohl, was er meinte, fragte aber doch:
    „Welches Begräbnis denn?“
    „Weißt du das nicht? Der Botenfrau ihr Kleiner ist am Scharlach gestorben; den bringen sie jetzt.“
    „Wird es lange dauern?“
    „O nein. Mit armer Leute Kind wird wenig Federlesen gemacht; das wißt ihr ja.“
    „Aber du mußt ja das Grab zuwerfen! Und wir wollen doch gern ein Spielchen machen.“
    „Das mit dem Zuwerfen hat Zeit. Ich mache es, wenn wir fertig sind; das macht keine große Mühe.“
    „Gut! Wir helfen dir dabei.“
    Ein Mann brachte einen kleinen Sarg getragen. Hinter ihm kam die Leichenfrau und die Mutter des Kindes. Das war der ganze Begräbniszug. Diese drei wurden vom Totengräber empfangen und nach dem Grab geführt. Man ließ den Sarg hinab und betete ein stilles Vaterunser. Damit war die Zeremonie zu Ende. Wenn ein Reicher, ein Vornehmer sich von seinem Kind trennt, geschieht es mit größerem Pomp, und doch ist das Herz einer armen Mutter ebenso empfänglich für das Herzeleid wie dasjenige einer feinen Dame.
    Der Leichenkondukt verließ den Friedhof, und der Totengräber kehrte in sein Stübchen zurück. Es begann, dunkel zu werden, und darum wurde eine Lampe angebrannt. Beim Schein derselben begann das Spiel, nicht ein Spiel um Gold- oder Silberstücke, sondern um den zwanzigsten Teil eines Pfennigs.
    Nach einiger Zeit stieß der Schmied seinen Sohn an.
    „Lasse niemand hinaus!“ raunte er ihm zu.
    Er erhob sich und verließ das Stübchen mit der unbefangenen Miene eines Mannes, der etwas ganz Gewöhnliches beabsichtigt. Hinter dem Häuschen angekommen, lauschte er einige Sekunden lang. Es war Nacht geworden; niemand konnte ihn sehen.
    Mit schnellen aber vorsichtigen Schritten eilte er dem kleinen Grab zu. Er hatte vorhin durch das Fenster geblickt und sich die Stelle ganz genau gemerkt. Es war offen. Er bückte sich und fühlte hinab. Auf dem kleinen Sarg lagen einige Feldblumen, welche die arme Mutter unterwegs gepflückt und dem Kind in das Grab nachgeworfen hatte.
    Der rauhe Mann legte die Blumen sorgfältig heraus, ehe er den Sarg emporzog. Er öffnete denselben, nahm das Kind heraus und legte es einstweilen zur Seite. Dann machte er den Deckel wieder zu, senkte den Sarg wieder hinab und legte die Blumen darauf. Jetzt nun zog er ein altes Tuch hervor, welches er unter der zugeknöpften Weste stecken gehabt hatte, wickelte die Leiche hinein und trug sie nach der Ecke des Friedhofes, wo er sie in einem dichten Gebüsch einstweilen versteckte.
    Das beabsichtigte Werk war vollbracht, und er kehrte nun wieder in die Stube zurück. Es war so schnell geschehen, daß die Zeit, welche er gebraucht hatte, gar nicht auffiel.
    „War's finster draußen?“ fragte sein Sohn.
    „Na, es geht!“ antwortete der Vater.
    Das war das Zeichen, das alles gelungen sei, und das Spiel begann von neuem. Als es zu Ende war, schlug es eben Mitternacht.
    „So lange?“ fragte der Totengräber erstaunt. „Wie ist uns die Zeit doch so kurz geworden. Nun werde ich das Grab doch offen lassen müssen.“
    „Warum denn?“ fragte der Wirt.
    „Es ist zu spät! Morgen früh ist's auch noch Zeit. Freilich darf es niemand wissen, denn es soll kein Grab so lange offen stehen.“
    „Gut! Wir helfen dir!“
    „Wirklich? Angenommen! Da sind wir in fünf Minuten fertig.“
    Sie nahmen Schaufeln und eine Laterne und begaben sich nach dem Grab. Die Totengräberin leuchtete.
    „Das arme Wurm ist so rasch gestorben!“ meinte sie. „Ich möchte die Leiche doch gern erst einmal sehen!“
    „So wollen wir aufmachen!“ antwortete ihr Mann.
    „Unsinn! Was fällt euch ein!“ entgegnete der Wirt rasch. „Das wäre ja Leichenschänderei!“
    „Ich bin Totengräber! Da nimmt man es nicht so

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