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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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genau!“
    „Das mag sein. Aber öffnet man denn einen Sarg, in dem eine Scharlachfieberleiche liegt?“
    „Das ist wahr! Alte, wollen vorsichtig sein, daß wir in unseren alten Tagen nicht etwa an einer Kinderkrankheit sterben!“
    Damit war die Gefahr vorüber. Das Grab wurde zugeworfen, und dann empfahlen der Schmied und sein Sohn sich den Gevattersleuten.
    „Gute Nacht, Gevatter!“ rief ihnen der Totengräber nach. „Also morgen bringe ich die Kartoffeln!“
    „Ja. Übermorgen nehme ich sie mit.“
    Als die beiden eine kurze Strecke gegangen waren, blieben sie lauschend stehen, um zu horchen. Nach einer Weile meinte der Sohn:
    „Der Gevatter ist gleich zu Bett. Das Licht ist ausgelöscht. Wohin hast du die Leiche getragen?“
    „Warte hier; ich hole sie.“
    „Wann geht es nach dem Schloß?“
    „Gleich. Dort ist man auch bereits schlafen gegangen. Das gnädige Fräulein ist ja nicht daheim.“
    „So will ich einstweilen die Filzschuhe und die Schlüssel holen. Wo treffen wir uns?“
    „Bei der Buche am Schloßweg.“
    „Gut, Vater.“
    Er stieg in das Dorf hinab, schlich sich zur Schenke hin und in den Garten derselben. In der Stube saßen noch einige Gäste. An den Garten stieß die Scheune, deren hinteres Tor offen gelassen war. In einer Ecke der Tenne steckten unter dem Stroh zwei Paar Filzschuhe und ein Bund Nachschlüssel. Diese Gegenstände nahm er zu sich und begab sich dann nach der Buche. Da er vorsichtig hatte sein müssen, so traf er den Vater bereits dort an.
    „Hast du alles?“ fragte dieser.
    „Alles. Ziehen wir die Schuhe gleich hier an?“
    „Ja; die Stiefel stecken wir in das Gebüsch.“
    „Wie aber kommen wir in das Schloß?“
    „Das wird sich finden. Jetzt weiß ich noch nicht, ob man noch munter ist. Vielleicht steht ein Fenster neben dem Blitzableiter offen.“
    Sie wechselten die Stiefel mit den Filzschuhen. Letztere machten ihre Schritte unhörbar; erstere wurden im Gebüsch versteckt.
    Beim Schloß angekommen, umschlichen sie dasselbe. Der Sohn trug die Kinderleiche und der Vater die Nachschlüssel, welche er mit einem Tuch umwickelt hatte. An einem der hinteren Fenster war noch Licht. Der Schmied kannte das Innere des Schlosses sehr genau, da er alle in sein Fach einschlagenden Reparaturen hier besorgt hatte.
    „Das ist das Stübchen neben der Küche“, meinte er. „Da wird das Weibsvolk sitzen und klatschen. Wenn die Herrin nicht da ist, so hat die Dienerschaft freie Zeit. Warte hier!“
    Er ging. Als er nach kurzer Zeit zurückkam, flüsterte er:
    „Es geht alles gut. Dort das Eckfenster ist offen. Wir steigen ein. Sollte die Tür verschlossen sein, so öffne ich. Wir kommen in den Flur und von da nach der Treppe. Die Stube, in welcher der Kleine schläft, kenne ich ganz genau.“
    „Aber die Bonne!“
    „Sie sitzt mit da drin. Wie es scheint, haben sie sich eine Schokolade gekocht. Da lassen sie sich nicht stören.“
    „Wie kommen wir wieder heraus?“
    „Ganz auf demselben Weg.“
    Sie stiegen durch das Fenster. Die Tür des Zimmers, in welchem sie sich nun befanden, war nicht verschlossen. In einigen Augenblicken befanden sich die beiden oben auf dem Korridor.
    „Hier! Leise herein!“ flüsterte der Schmied.
    Ein Streichholz flackerte auf. Beim Schein desselben gewahrten sie den Knaben, welcher in seinem Bettchen schlummerte. Leise, leise nahm ihn der Schmied heraus, er drückte ihn an sich; er erwachte nicht.
    „Schnell! Den anderen Balg hinein! Betten drauf und die Kleidungsstücke, welche dort an der Wand hängen. Findest du dich allein zurecht?“
    „Ja, Vater.“
    „So gehe ich. An der Buche treffen wir uns wieder.“
    „Aber wenn der Junge erwacht!“
    „Schadet nichts. Hier hängt ein Mantel. Ich wickle ihn hinein. Was soll man da hören.“
    Er nahm den Mantel, schlug den Knaben hinein und schlich sich davon. Es war ein Wunder zu nennen, daß das Kind nicht erwachte. Mit unhörbaren Schritten huschte der Schmied zur Treppe hinab und durch die Stube, welche sie offen gefunden hatten, in das Freie hinaus.
    Da begann der Knabe sich zu regen. Der Schmied schaukelte ihn im Gehen leise hin und her. Das half. Das Kind glaubte sich in den Armen der Bonne und schlief wieder ein.
    An der Buche angekommen, wartete er. Nach kaum zwei Minuten hörte er leise Schritte. Sein Sohn war es.
    „Nun?“ fragte er. „Ist's gelungen?“
    „Natürlich!“
    „Man sieht aber doch nichts!“
    „So schnell kann es nicht gehen. Das Fenster liegt ja auf der

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