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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ehrerbietig zurück. Alma drehte sich um und erblickte – ihren Cousin Franz von Helfenstein.
    Dieser hatte am abgebrannten Schloß ihre Depesche entgegengenommen und es sich nicht versagen wollen, ihr den Schlag, der sie erwartete, selbst zu übermitteln. Er war also nach dem Bahnhof gefahren, um sie dort zu empfangen.
    Als sie ihn erblickte, erbleichte sie. Das war der Mörder! Was wollte er hier? Sie nahm sich vor, ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn verachte und fragte im stolzesten Ton:
    „Sie hier? Sie fuhren mit demselben Zug? Ich glaubte, Sie seien bereits gestern zurückgekehrt.“
    Sie nannte ihn Sie; sie blickte ihn mit Augen an, in denen ebensoviel Verachtung wie Abscheu lag. Er schien dies gar nicht zu bemerken, er zuckte leicht die Achseln und sagte:
    „Vielleicht konnten Sie nicht auch sogleich zurückkehren, weil Sie sich mit dem Mörder Ihres Vaters ein Rendezvous in der Zelle gaben. Ich vermute das. Besser wäre es allerdings gewesen, wenn Sie das unterlassen hätten. Sind Sie von dem unterrichtet, was unterdessen in Helfenstein und Schloß Hirschenau geschehen ist?“
    Sie hatte seine freche Beleidigung mit aller Entschiedenheit zurückweisen wollen, aber bei seiner letzteren Frage war sein Auge mit so triumphierendem Hohn auf sie gerichtet, daß ihr das Blut in den Adern stockte. Es durchschauderte sie, als ob er mit gezücktem Degen vor ihr stehe, um ihr einen tödlichen Hieb zu versetzen.
    „Nein“, antwortete sie leise und zagend.
    „Nicht? So geben Sie mir Ihren Arm. Wir müssen hier ein Zimmer aufsuchen.“
    „Warum soll ich es nicht hier, sondern im Zimmer vernehmen?“
    Er stieß ein kurzes, zynisches Lachen aus und antwortete:
    „Weil Sie in Ohnmacht fallen werden, wie ich im voraus weiß.“
    Damit zog er sie fort. Sie nahm sich vor, nun grad ihm zum Trotz stark, sehr stark zu sein und nicht in Ohnmacht zu fallen, möge auch kommen, was da wolle. Im Wartezimmer erster Klasse angekommen, wo nur wenige Gäste anwesend waren, zog sie ihren Arm aus dem seinigen und sagte:
    „Nun, darf ich um Ihre Mitteilung ersuchen?“
    „Bitte, halten Sie sich an diesem Stuhl fest!“ antwortete er höhnisch. „Was ich Ihnen zu melden habe, ist nichts weniger als angenehm. Wünschen Sie, daß ich Ihnen eine vorsichtige Einleitung mache?“
    „Sprechen Sie!“ gebot sie ihm stolz und kalt.
    „Gut. Heute Nacht ist Schloß Hirschenau bis auf die Mauern niedergebrannt.“
    Sie erbleichte, doch zeigte sie keine Schwäche.
    „War das Feuer angelegt?“ fragte sie.
    „Nein; es war eine Folge der Vernachlässigung, wie man vermutet. Die Herrin war ja nicht daheim.“
    „Man wird das streng zu untersuchen haben. Der Verlust ist übrigens zu überwinden, da alles versichert war. Natürlich setze ich da voraus, daß kein Menschenleben dabei beschädigt worden ist.“
    „Das ist leider grad der Fall.“
    Jetzt griff sie wirklich nach der Lehne des Stuhls.
    „Ist jemand verletzt worden?“ fragte sie.
    „Verletzt nicht, aber tot“, meinte er kalt und gleichgültig.
    „Himmel, wer ist es, wer?“
    „Ihr Bruder ist mit verbrannt.“
    Da fuhr sie auf ihn zu. Ihre Augen wurden starr und gläsern.
    „Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge!“ rief sie.
    „Ich sehe, daß sie unzurechnungsfähig sind; darum verzeihe ich Ihnen. Gehen Sie hinaus! Man hat seine Überreste gerettet. Die verkohlten Knochen und der verbrannte Schädel liegen zur Besichtigung bereit.“
    Sie fuhr mit den Händen in die Luft, stieß einen unartikulierten Schrei aus und rief laut und jammernd:
    „Gott! Herrgott, Dein Strafgericht beginnt!“
    Dann sank sie leblos auf den Boden nieder.
    Der Baron wendete sich kalt an ihren Diener, welcher unter der Tür stehen geblieben war:
    „Lassen Sie sich hier ein Zimmer geben, und holen Sie einen Arzt. Ich glaube kaum, daß sie transportabel sein wird, und auf Hirschenau ist leider kein Platz für sie.“
    Damit ging er von dannen, als ob ihre Person ihm ganz und gar fremd und gleichgültig sei. –
    Am nächsten Morgen kam der Schmied mit seinem Sohn auf seinem Wägelchen nach dem Bahnhof gefahren. Nachdem er einen Sack Kartoffeln abgeladen und als Passagiergut aufgegeben hatte, fuhr sein Sohn nach Helfenstein zurück, er aber stieg in den Zug, welcher nach der Residenz abging. Dort angekommen, begab er sich sofort nach dem Landgericht und fragte nach dem neuen Schließer Christian. Dieser kam herbei und erkannte sofort den Gevattersmann seines Vaters. Er freute sich sehr, von demselben

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