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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fürchten, so würde ich dich küssen!“
    „Das möchte ich mir verbitten! Ich ersuche dich überhaupt, jetzt noch niemand wissen zu lassen, was zwischen uns vorgekommen ist. Darf ich übrigens fragen, wie hoch sich deine Verluste belaufen?“
    „Viel, sehr viel ist mir verbrannt!“
    „Was?“
    „Kleider, Wäsche –“
    „Weiter nichts? Weiter nichts?“ fragte er dringlich.
    Sie stieß ein scharfes Lachen aus und antwortete:
    „Oh, noch manches andere. Aber die beiden Dokumente, welche ich von dir erhielt, habe ich gerettet. Sie sind es doch ganz allein, welche dir am Herzen liegen.“
    „Zeige sie her!“
    „Das ist nicht nötig!“
    „Ich will, ich muß sie aber sehen!“
    Da machte sie eine sehr geringschätzige Bewegung mit der Achsel und sagte:
    „Deine Dringlichkeit beweist mir deutlich, wie sehr du mich fürchtest, wie sehr ich deine Herrin bin. Selbst wenn mir die Papiere verbrannt wären, könnte ich dich durch die Behauptung, sie noch zu besitzen, in Schach halten. Aber ich habe sie in Wirklichkeit gerettet; denn ich trage sie stets bei mir. Hier, siehe!“
    Sie zog zwei zusammengefaltete Papiere hervor, welche sie emporhielt, ohne sie ihm aber näher zu zeigen.
    „Zeige her! Ich will sie lesen.“
    „Ah, lesen und zerreißen, nicht wahr! Ein jeder andre soll sie eher in die Hand bekommen als du, wenigstens bis ich wirklich Baronin von Helfenstein bin. Aber du hast jetzt mehr zu tun. Bekümmere dich um dein brennendes Erbe!“
    Er folgte diesem Rat, obgleich es zu nichts mehr führen konnte.
    Der Schloßflügel, an welchem das Feuer ausgebrochen war, wurde leidlich erhalten; die anderen Teile brannten vollständig nieder. Dies hatte seinen Grund darin, daß man fast das ganze vorrätige Wasser in der Hoffnung, wenigstens die Überreste des Kindes zu erhalten, nach diesem Flügel gerichtet hatte.
    Mit Anbruch des Tages konnte man die Nachforschung beginnen. Man legte Leitern an die wohlerhaltene Außenmauer und versuchte, in das Zimmer zu gelangen, in welchem der Knabe gelegen hatte. Wunderbar! Es war fast das einzige, in welchem die Diele leidlich erhalten war!
    Das Feuer hatte seinen Herd geschont, um sich desto schneller verbreiten zu können.
    Ein kühner Feuerwehrmann stieg zur ausgebrannten Fensteröffnung ein, mußte aber sofort wieder umkehren, da er bemerkte, daß die verkohlte Diele ihn nicht tragen werde. Der Baron war bei diesem Versuch gegenwärtig gewesen.
    „Nun, was haben Sie gesehen?“ fragte er.
    „Ich glaube, daß die Überreste des kleinen Barons noch vorhanden sind. Ich glaube, zwischen anderen Resten, welche zum Bett gehört haben, etwas wie halb verkohlte Knochen liegen gesehen zu haben.“
    „So muß man abwarten, bis das Feuer völlig nieder ist und die Brandruine sich abgekühlt hat. Dann werden wir sehen, ob Sie recht vermuten!“ –
    Baronesse Alma von Helfenstein war im königlichen Schloß beschieden worden, daß die Majestät jetzt Vortrag entgegennehme und erst in einigen Stunden zu sprechen sei. Sie hatte diese Zeit wie im Fieber zugebracht und war dann wieder vorgefahren. Jetzt wurde ihr der Zutritt nicht verweigert.
    Sie fand den König im Audienzsaal. Er stand am Fenster und schaute ernst, sehr ernst durch dasselbe hinaus. Sie blieb an der Türe stehen und wagte kaum zu atmen. Was war es, was ihr das Herz heute so zusammenpreßte? Sie hatte doch früher vor dem Monarchen keine solche Angst gehabt!
    Da wendete er sich zu ihr herum. Augenblicklich sank sie in die Knie und erhob flehend die Hände. Er trat langsam näher. Er gebot ihr nicht, sich zu erheben. Er blickte ihr fast streng in das Angesicht und sagte dann:
    „Ich weiß, um was Sie bitten wollen, Baronesse!“
    „O Gnade, Gnade! Majestät!“ schluchzte sie.
    „Sie wollen, ich solle Gnade für ihn haben, für den Sie selbst keine gehabt haben! Ich soll ein Urteil mildern, welches nur Ihretwegen so hart ausgefallen ist. Man hat mir den ganzen Verlauf der Untersuchung, auch den Verlauf der heutigen Verhandlung berichtet. Ich weiß, daß es vor allen Dingen Ihre Aussage ist, welche am schwersten in die Waagschale fiel – und doch war er Ihr Bruder! Liebe und Milde ist die Pflicht eines Weibes, auch der Schwester!“
    Jedes dieser Worte traf wie ein Pfeil, welcher sich in das Leben bohrt. Aus einem solchen Mund war seine Spitze scharf.
    „Oh, Majestät“, schluchzte sie. „Konnte ich anders?“
    „Ich will das nicht untersuchen. Auch will ich ihn weder für schuldig, noch für unschuldig

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