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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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allerdings ein sehr gescheiter Streich!“
    „Nicht wahr? Er würde bereits morgen abgeführt werden, aber die Einlieferungsakten werden bis dahin nicht fertig. Habe ich nun die Wette gewonnen?“
    „Ja, wenn es wahr ist, was du gesagt hast.“
    „Natürlich ist es wahr, Wort für Wort.“
    „Nun, wenn man dir so großes Vertrauen schenkt, dir solche Geheimnisse mitzuteilen, so wirst du ihn wohl transportieren?“
    „Ich? Nein, daran denken sie allerdings nicht. So einen Gefangenen vertrauen sie nur dem Wachtmeister selbst an.“
    „Diesem allein?“
    „Natürlich! Mehrere sind dazu nicht nötig, denn der Brandt ist doch kein Räuberhauptmann. Übrigens denke ich, daß er nicht sehr lange im Zuchthaus sein wird. Vielleicht zwanzig Jahre. Nach den ersten fünfzehn Jahren darf er um Entlassung anhalten, wenn er sich gut geführt hat und nicht bestraft worden ist.“
    „Christian“, sagt der Schmied erstaunt, „ich bin ganz perplex über deine Kenntnisse! So kurze Zeit erst im Dienst, kennst du doch alles schon so genau, wie ein Justizminister!“
    „Nicht wahr? Ja, ich will auch schnell steigen!“ meinte der gute Junge. „In zehn Jahren kann ich Oberschließer sein. Vielleicht gehe ich gar zu der Steuer über und werde Grenzaufseher. Dann lasse ich mich nach Helfenstein versetzen und heirate die Gustel oder die Karline, wenn sie mir bis dahin nicht zu alt und dumpfig geworden sind. Also, wie steht es mit den zwei Glas Bier?“
    „Die hast du gewonnen!“
    „Aber trinken darf ich sie leider nicht. Meine Zeit ist vorbei. Ich muß zur Fütterung.“
    „So? Wen füttert ihr denn?“
    „Die Gefangenen!“
    „Ach so! Ich dachte, andere Kreaturen! Na, füttern werdet ihr sie wohl, aber nudeln nicht! Da du das Bier jetzt nicht trinken kannst, so will ich dir lieber das Geld geben. Hier hast du einen Gulden.“
    „Sapperlot! Das ist zu viel!“
    „Nimm es nur! Vom Gevatter deines Vaters, also von deinem Paten, kannst du es schon annehmen! Nicht?“
    „Ja, das denke ich auch. Also einen Gruß an die Eltern! Sie mögen immerhin erfahren, welche Geheimnisse man mir anvertraut und welche Kenntnisse ich schon besitze. Adieu.“
    „Adieu, Christian! Laß es dir wohl ergehen im königlichen Dienst!“
    Sie trennten sich. Der Schmied hatte das, was er wissen wollte, viel, viel leichter erfahren, als er es für möglich gehalten hatte. Er kehrte mit dem nächsten Zuge nach der Heimat zurück. Auf dem Bahnhof kaufte er sich eine Eisenbahnkarte, welche er mit nach Hause nahm.
    Dort angekommen, begab er sich mit seinem Sohne nach einem Kämmerchen, in welchem sie nicht belauscht werden konnten.
    „Ich bringe gute Botschaft“, sagte er. „Übermorgen früh halb sechs Uhr fährt der Brandt in Begleitung des Wachtmeisters nach dem Zuchthaus. Er ist zu lebenslänglichem Kerker begnadigt, ohne es zu wissen. Er wird es erst dort erfahren.“
    Der Sohn kratzte sich hinter den Ohren.
    „Daran sind wir schuld, Vater“, meinte er. „Wir müssen ihn unbedingt retten!“
    „Natürlich!“
    „Aber wie? Es wird wohl nur unterwegs gehen!“
    „Sonst nicht. Mein Plan ist fertig.“
    „Aber gefährlich wird es sein. Wir wagen das Leben und riskieren noch obendrein selbst das Zuchthaus!“
    „Das haben wir schon hundertmal getan! Zwei erfahrene Pascher, wie wir sind, werden es wohl fertigbringen, einen Menschen aus dem Coupé zu holen!“
    „Wie willst du das anfangen? Das Abspringen während des Fahrens ist gefährlich. Ihr könnt Hals und Beine brechen, und dann steht die Sache noch schlimmer als vorher.“
    „So springen wir eben nicht im Fahren ab!“
    „Also während des Haltens auf einem Bahnhof? Bist du toll?“
    „Hat dein Vater schon einmal etwas wirklich Tolles, Unsinniges unternommen? Ich dachte, du würdest mich besser kennen! Höre mich einmal an! Die Strecke, welche Brandt fährt, hast du stellenweise öfters auch schon benutzt?“
    „Sogar sehr oft!“
    „Kennst du die Strecke zwischen Brandenau und Liebenstein?“
    „Oh, so gut wie meine Tasche! Hinter Brandenau geht es durch einen langen Tunnel und dann eine weite Strecke durch den Wald.“
    „Gut! Hinter dem Tunnel macht die Bahn eine ziemlich weite Kurve, und dann geht sie schnurgerade über eine halbe Stunde lang durch den Wald. Hinter dieser Kurve hast du dich rechtzeitig einzufinden.“
    „Ich? Was habe ich da zu tun?“
    „Ich weiß, daß dort im Wald viele große, einzelne Steine liegen. Ehe der Zug kommt, begeht der Bahnwärter die Strecke.

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