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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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zu erkennen, woher die Nummernschilder stammen: Die erste Zahl steht für den Landkreis, und die Landkreise sind nach der Einwohnerzahl aus der Zeit durchnummeriert, als dieses System eingeführt wurde. Die Nummernschilder von Yellowstone County haben die Nummer drei, weil es damals der drittgrößte Landkreis war, was die Einwohnerzahl betraf. Inzwischen sollte es Nummer eins sein, aber das würde die Leute in Butte-Silver Bow County verärgern, also bleibt es Nummer drei.
    Jedenfalls … wenn ich durch Billings fahre, und vor mir biegt jemand falsch oder fahrig ab, dann werde ich böse, falls ich am Nummernschild erkenne, dass er von hier ist und es besser wissen müsste. Falls ich eine siebenundzwanzig sehe – das ist Richland County, ein rustikaler (ich liebe das Wort »rustikal«) Außenposten weit im Osten Montanas –, werde ich nicht so böse. Das ist dann jemand, der nicht oft in Billings ist, und ich muss freundlich bleiben und daran denken, dass Billings für Auswärtige verwirrend sein kann.
    Ich habe Angst vor dem heutigen Besuch der
Rimrock Mall.

    Um 9:00 Uhr fege ich den Küchenboden. Die Läden im Einkaufszentrum werden erst in einer Stunde geöffnet, und ich verbringe den frühen Tag lieber erst einmal mit meiner Hausarbeit und lasse alle zu ihrer Arbeit fahren, bevor ich mich in den Regen hinauswage.
    Ich stehe vornübergebeugt und bemühe mich, mit dem Besen unter den Schränken zu fegen, als das Telefon klingelt. Dabei schrecke ich jedes Mal zusammen, weil ich nie einen Anruf erwarte. Ich habe das Telefon für Notfälle und damit meine Eltern mich erreichen können. Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wer es ist, auch wenn ich das erst sicher wissen werde, wenn ich drangehe.
    »Hallo?«
    »Edward.« Es ist mein Vater.
    »Ja.«
    »Da hast du gestern Abend ja eine ganz schöne Show abgezogen, als du angerufen und mich angeschrien hast.«
    »Du hast eine schöne Show abgezogen, Vater.«
    Er seufzt schwer in den Hörer. »Da könntest du recht haben, Edward.« Und dann, von jetzt auf gleich, ist er zu keinen Zugeständnissen mehr bereit. »Natürlich hast du mich mit dieser Geschichte im Krankenhaus in Zugzwang gebracht.«
    »Das ist vorbei. Es spielt keine Rolle mehr.«
    »Bist du da sicher?«
    »Ja.«
    »Hast du noch irgendetwas mit dieser Frau oder ihrem Sohn zu tun?«
    Ich mag keine Verschleierungen oder Mehrdeutigkeiten, aber dies ist ganz klar eine Frage, die eine Antwort nach Art des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton erfordert.
    »Ich sehe sie nicht.«
    »Das ist gut. Du verstehst, warum ich mir Sorgen mache, oder?«
    »Nein.«
    »Du bist ein schwerer Fall, Edward.«
    »Ich bin so, wie du mich gemacht hast, Vater.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Ich denke nicht, dass man hier über Fairness reden kann.«
    Jetzt klingt mein Vater genervt. »Weißt du, was witzig ist, Edward? Ich hatte eigentlich angerufen, um mich zu entschuldigen.«
    »Ich kann mir etwas noch Witzigeres vorstellen.«
    »Was denn?«
    »Du hast es nicht getan.«
    Mein Vater legt einfach auf.
    Mein Herz schlägt schnell.
    Noch nie habe ich mich gegen ihn aufgelehnt, nicht so.
    Entweder habe ich diese Runde gewonnen oder dafür gesorgt, dass Vaters Anwalt weitere anrechenbare Stunden anhäuft.

    Das einzig Gute an der
Rimrock Mall
ist, dass ich genau weiß, wo ich hinmuss. Dieses Wissen erleichtert mir den beschwerlichen Weg von der Eingangstür neben dem Gastronomiebereich bis zum Geschäftsbereich. Ich bin nicht wegen Pizza oder fettigen Asia-nudeln hier. Am
Starbucks
biege ich links ab und gehe diagonal bis zur gegenüberliegenden Seite, dann gehe ich am südlichen Ende des Einkaufszentrums in Richtung
Dillard’s.
Ich weiche Kinderwagen aus und teilnahmslosen Teenagern, die eigentlich in der Schule sein müssten, und langsam dahinschleichenden Alten, die hergekommen sind, um sich mal zu bewegen.
    Dillard’s,
die Filiale eines Bekleidungsgeschäfts für Männer und Frauen mit bezahlbarer, modischer Kleidung und sogar einer Abteilung für Übergrößen, wirkt auf mich wie ein Leuchtfeuer. In dieser Art von Geschäft werde selbst ich mit meinen eins vierundneunzig und hundertdreißig Kilo etwas finden. Ich bin fast da.
    Ich bin nur noch ein paar Schritte entfernt, als eine Frau mittleren Alters in einem rosa T-Shirt (mit der Aufschrift »Beauty Queen«) und einer zu engen grauen Jogginghose in mich hineinläuft und mir ihren übergroßen Orangen-Smoothie vorn über die Hose schüttet.
    »Himmelherrgottsakra!« Mein

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