61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
seinem Stübchen, steckte alles nötig Erscheinende zu sich und ging dann wieder.
Er schlich sich mit der möglichsten Vorsicht nach der Eiche zu. Als er in die Nähe derselben kam, sah er sich gezwungen, hinter einen Baum zu treten, da er eine Gestalt bemerkte, welche fast gerade auf ihn zukam. Er fand gerade noch Zeit, sich zu verstecken; dann huschte sie vorüber. Nun setzte er den Rest seines Weges mit verdoppelter Vorsicht fort und gelangte an die Fichte.
„Pst! Sind Sie da?“ flüsterte er.
„Schon längst“, antwortete es unter den niedersten Ästen hervor.
„Gibt es noch Platz?“
„Ja. Kommen Sie her! Ich rücke zu.“
Die Zweige bewegten sich einige Augenblicke lang, aber so leise, daß der Schnee nicht von ihnen herabfallen konnte, dann lagen die beiden nebeneinander in ihrem Verstecke. Kein Mensch, selbst wenn er in nächster Nähe stand, hätte vermuten können, daß vier Augen und vier Ohren hier angestrengt wurden, die Geheimnisse des Pascherkönigs zu entdecken.
„Es begegnete mir einer. Waren welche hier?“ fragte Arndt.
„Ja, bereits drei“, gab Eduard im Flüsterton zurück.
„Was taten sie?“
„Sie machten sich am Stamm der Eiche zu schaffen und brannten dabei ein Streichhölzchen an.“
„Ein Streichholz? Wozu?“
„Sie hatten allemal ein Zettelchen in der Hand, welches sie lasen.“
„Hm! Der Zettel muß irgendeinen Befehl enthalten.“
„So scheint es.“
„Wurde der Zettel stets mitgenommen?“
„Nein. Wenn sie ihn gelesen hatten und das Streichholz verlöscht war, dann schienen sie ihn wieder zu verstecken.“
„Es muß ein Loch im Stamm sein. Aber ich habe es nicht gefunden.“
„Es ist verborgen. Vielleicht mit einem Stück Rinde künstlich verschlossen. Anders kann es gar nicht sein.“
„Das ist möglich. Horchen Sie!“
Es ließen sich Schritte vernehmen. Ein Mann kam leise daher, trat an den Baum, langte mit der Hand empor und brannte dann ein Streichholz an. Jetzt bemerkte Arndt allerdings, daß derselbe einen Zettel in der Hand hatte. Er tat ihn, als das Licht verlöscht war, wieder an den Ort zurück und entfernte sich dann.
„Haben Sie aufgepaßt?“ fragte Arndt.
„Ja. Ich glaube genau den Punkt treffen zu können, an welchem sich das Versteck befindet. Soll ich hinaus und den Zettel holen?“
„Nein, nein! Warten wir noch.“
Das war ein Glück, denn es dauerte kaum eine Minute, so ließ sich wieder ein Geräusch vernehmen. Dieses Mal näherten sich drei Personen. Sie blieben an der Eiche halten. Der eine war sehr hoch und stark gebaut; die beiden anderen waren auch kräftig, aber doch keine solchen Riesen.
„Das also ist diese Eiche?“ fragte einer von ihnen.
„Ja“, antwortete der Riese. „Jetzt bin ich neugierig, ob ich wirklich die erwartete Auskunft erhalten werde.“
„Wirst du sie finden?“
„Natürlich! Ich sagte euch bereits, daß die größte Eiche der betreffenden Gegend allemal die Auskunftsstelle ist. Es ist ein viereckiges Loch eingeschnitten, in welchem sich ein Kästchen befindet. Die vordere Seite desselben besteht in einem kleinen, dürren Aststümpfchen. So kann die Sache nicht auffallen. Seht her!“
Er griff am Stamm empor und hielt dann etwas in der Hand.
„Brennt ein Streichholz an!“ befahl er.
Ein Lichtchen flackerte auf.
„Seht das Kästchen!“ fuhr er fort. „Hier ist ein Zettel. Was steht darauf? ‚Punkt ein Uhr im Haingrund.‘ Hm! Das geht mich und uns nichts an. Das ist ein Befehl für die Pascher, für heute oder morgen. Oder hat er auch bereits gestern Geltung gehabt. Was ich suche, das sind Ziffern, die auf dem Boden des Kästchens stehen. Brennt noch ein Streichholz an!“
Das Licht flackerte abermals auf. Er musterte den Boden des Kästchens. Es mußten noch zwei Zündhölzer verbrannt werden, ehe er mit sich ins reine kam. Dann sagte er:
„Ich hab's! Kommt! Wir brauchen gar nicht weit zu gehen.“
Er steckte das Kästchen an Ort und Stelle, und dann entfernten sie sich in derselben Richtung, aus welcher sie gekommen waren.
Eduard stieß Arndt an und flüsterte:
„Da können wir zufrieden sein!“
„Zufriedener noch, als Sie überhaupt denken! Diese drei Kerls hätte ich hier nicht erwartet!“
„Sie kennen sie also?“
„Ja. Es sind sogenannte Künstler. Sie sollten heute wegen Totschlags arretiert werden, sind aber entflohen.“
„Herrgott! Wir hätten sie ergreifen sollen!“
„Uns konnte ein Kampf mit ihnen gar nichts nützen. Sie werden ihrem Schicksale
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