61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Hochwürden?“
Der Pfarrer hatte in letzter Zeit ganz still dagesessen. Was er hörte, wirkte so mächtig auf ihn ein, daß er es vorzog, zu schweigen. Jetzt aber antwortete er:
„Diese Seidelmanns! Ah, meine Ahnung!“
„Wie? Sie ahnten –?“
„Nicht das, was Sie wissen, verehrter Herr; aber ich war überzeugt, daß die Seidelmanns nicht die Leute sind, für welche sie sich ausgeben. Ich bin noch am letzten Sonntag arg mit ihnen zusammengeraten. Bedürfen Sie auch meiner Mitwirkung?“
„Ich möchte Sie allerdings um dieselbe ersuchen.“
„Ich stehe zu Diensten.“
„Schön! So habe ich Ihnen mitzuteilen, daß ich heute noch mit dem Waldkönig sprechen werde –“
„Donnerwetter!“ fiel der Gendarm ein.
„Sie sollen heimlich dabeisein –“
„Warum nur heimlich!“
„Sie sollen nur hören, ob seine Stimme die Stimme Seidelmanns ist.“
„Das wird nicht schwer und auch nicht gefährlich sein. Verlangen Sie nur dieses eine?“
„Weiter nichts!“
„Warum ihn nicht gleich festnehmen?“
„Nicht jeder Gewinn ist auch ein Vorteil zu nennen. Der Waldkönig wird auch für einen Pascher gehalten. Ich bespreche ein Geschäft mit ihm. Wir einigen uns über einen bedeutenden Schmuggelzug, und dann, dann erst nehmen wir ihn gefangen.“
Der Gendarm fühlte sich von dem Plan förmlich begeistert.
„Sapperment, ist das schlau, ist das pfiffig!“ sagte er. „Wo wird die Unterredung stattfinden?“
„Draußen auf dem Schacht.“
„Warum da?“
„Darüber später. Haben die beiden Herren die Güte, sich mir anzuschließen?“
„Ja, sogleich!“ antwortete der Gendarm; indem er aufstand.
„Gern“, sagte auch der Pfarrer. „Wenn Ihnen an meinem Zeugnis gelegen ist, mein Herr, so –“
„Gewiß, gewiß! Das Zeugnis eines Pfarrers pflegt mehr Gewicht zu haben als jedes andere.“
„Aber haben wir nicht vorher noch über die Summe zu sprechen, welche sie die Güte hatten, mir –“
„Heute nicht, heute nicht“, fiel ihm Arndt in die Rede. „Dieses Geld befindet sich in guten Händen. Verfügen Sie ganz nach Belieben darüber, und vergessen Sie nicht, daß Sie keinem Menschen Rechenschaft abzulegen haben!“
Nach kurzer Zeit waren die drei unterwegs.
Als sie das Kohlenbergwerk erreichten, meinte Arndt:
„Bitte, warten Sie! Ich will erst vorfühlen.“
„Soll ich es nicht tun?“ fragte der Gendarm. „Unsereiner hat so seine Übung und Erfahrung.“
„Danke! Ich bringe das auch fertig.“
Er schlich davon, und die beiden blieben leise flüsternd miteinander zurück. Nach einer Weile tauchte er hart bei ihnen aus dem Schnee empor, so daß sie über sein plötzliches Erscheinen beinahe erschreckten.
„Es steht alles gut“, sagte er. „Treten Sie so leise wie möglich auf; lassen Sie sich nicht sehen, und beachten Sie überhaupt alle mögliche Vorsicht!“
Er führte sie nach dem Schuppen, in welchem er mit dem frommen Schuster gesprochen hatte. Als sie ihn glücklich und unbemerkt erreichten, sagte er:
„Hier liegt Stroh. Klettern Sie hinauf, und beobachten Sie scharf. In einiger Zeit wird der Waldkönig erscheinen. Ich werde ihn sogar einmal mit meinem chemischen Laternchen anleuchten. Diesen Augenblick müssen Sie erfassen. Wenn Sie auch sein belarvtes Gesicht nicht erblicken werden, so wird es Ihnen doch wenigstens gelingen, seine Gestalt zu erkennen.“
Er ging fort und klopfte an Laubes Tür. Dieser letztere erschien sogleich und fragte laut:
„Was gibt es?“
Arndt griff mit der rechten Hand nach dem rechten Auge und sagte:
„Ich werde erwartet.“
„Ah, Sie sind es! Sie waren gestern bereits da?“
„Ja.“
„Ich soll Sie melden.“
„Dauert es lange?“
„Nein, da man Sie erwartet.“
„Klingeln Sie heute fünfmal anstatt nur viermal!“
„Ist das besprochen worden?“
„Ja.“
„Gut. Haben Sie sich den Strohschuppen gemerkt?“
„Ja. Soll ich dort warten?“
„Bitte, ja. Der Betreffende wird dort hinkommen.“
Jetzt kehrte Arndt nach dem Schuppen zurück. Er zog sein Laternchen hervor und bemerkte beim Schein derselben, daß seine beiden Gefährten sich so versteckt hatten, daß sie gar nicht bemerkt werden konnten.
„Haben Sie ihn bestellt?“ flüsterte der Gendarm.
„Ja.“
„Bitte, sprechen Sie so laut wie möglich mit ihm, damit uns nichts entgehen kann.“
„Ihren Wunsch in allen Ehren, aber Sie sehen doch ein, daß man bei derartigen geheimen Zusammenkünften nicht geradezu zu schreien pflegt!“
Es
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