61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
vielleicht ein anderes Mal. Du wirst mit dem Essen zu tun haben.“
„O nein, wir sind bereits weg vom Tisch. Ich hatte des Vaters Leibgericht, grüne Klöße und Rauchfleisch. Was aßt ihr?“
Jetzt errötete er noch mehr als vorhin. Um dies nicht merken zu lassen, drehte er sich zur Seite und antwortete:
„Ich weiß es wirklich nicht, Engelchen. Wenn ich so notwendig zu arbeiten habe, nehme ich mir nicht Zeit, darauf zu merken, was die Mutter zurichtet. Ich werde es aber wohl gleich erfahren. Leb wohl, Engelchen!“
„Leb wohl! Kommst du auf den Abend zu uns?“
„Ja, ich komme.“
Nach diesen Worten sprang er von dannen.
Das Häuschen, in welches er schlüpfte, war noch kleiner als dasjenige, welches Engels Eltern bewohnten. Der Flur bestand aus festgeschlagenem Lehm. Rechts war ein Gewölbe und ein Ziegenstall, und links befand sich die Wohnstube. Diese hatte nur zwei Fenster. Vor jedem derselben stand ein Webstuhl. Gerade als Eduard in die Stube trat, hörte er die Mutter sagen:
„Komm, Vater, steig aus dem Stuhl. Wir wollen essen.“
Der Weber folgte der Aufforderung. Seine Gestalt war gebeugt und sein Haar vor der Zeit ergraut. Dieselbe Erscheinung zeigte auch seine Frau. Die Armut ist eine geizige Freundin.
Auf den Ruf der Mutter hatte es sich in den Ecken und Winkeln der Stube bewegt. Fünf Kinder, außer Eduard, eilten dem blankgescheuerten Tisch zu. Die Webersfrau stellte eine Schüssel Kartoffeln auf den letzteren. Dann faltete der Vater die Hände und sagte:
„Wir wollen beten!“
Die Glieder seiner Familie neigten andächtig die Köpfe, und er begann:
„Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was Du uns bescheret hast!“
Die Kleinen glaubten, daß das Gebet zu Ende sei, und erhoben die Händchen, um nach der Schüssel zu langen. Der Weber aber warf ihnen einen strafenden Blick entgegen und fuhr fort:
„Du schenkst uns, Gott, so väterlich
Jetzt Speis und Trank; wir preisen Dich;
Denn alles, was uns stärkt und nährt
Wird uns durch Deine Huld beschert.
Sieh, Deine Gaben nehmen wir
Mit Freuden, Vater, hin von Dir.
O laß uns den Genuß gedeihn
Und Dir dafür auch dankbar sein!“
Jetzt setzte er sich nieder. Das war das Zeichen, daß das Mahl beginnen könne. Und welch ein Mahl! Es gab eine Schüssel seifiger Kartoffeln in der Schale und dazu nichts weiter als – Salz, welches die Mutter braun geröstet hatte, um demselben wenigstens einen etwas ungewöhnlichen Beigeschmack zu geben.
Das war es, was Eduard dem ‚Engelchen‘ vorhin nicht hatte sagen wollen.
Und eben, als sie das mehr als frugale Essen begonnen hatten, öffnete sich die Stubentür und ein steinaltes, dürres Männchen trat ein.
„Guten Tag, Gevatter Hauser!“ grüßte der Neuangekommene, indem er sich Mühe gab, einen Husten zu unterdrücken. „Ihr seid beim Essen? Da störe ich und will nur lieber gleich wieder gehen.“
„Bleib in Gottes Namen da“, antwortete der Hausvater. „Setze dich dort auf den Schemel. Uns störst du nicht.“
Der Alte zog den Schemel an den Ofen und prüfte mit der Hand die Kacheln, ob sie warm seien.
„O weh!“ sagte er. „Das Feuer ist ausgegangen!“
„Der Gevatter will sich wärmen“, sagte der Weber. „Magst du nicht noch einmal anlegen, Mutter?“
Die Gefragte machte ein trübseliges Gesicht und antwortete:
„Die Kohlen sind alle, Vater.“
„So nimm Holz!“
„Auch davon ist nichts mehr da. Es reichte gerade noch, um die Kartoffeln zu kochen.“
„O weh! Wieviel Geld hast du noch?“
„Vier Kreuzer!“
„So laß nachher für vier Kreuzer Kohlen holen. Hast du schon gegessen, Gevatter?“
Der Alte schüttelte den Kopf, warf einen begierigen Blick auf die Schüssel, welche sich zusehends leerte, und sagte:
„Heute noch nichts. Ich war – hm, ich war bei Herrn Seidelmann. Ich fragte ihn, ob – hm, na! Der gibt nichts!“
„So komm her, Gevatter, und iß mit uns!“
Das Männchen ließ sich dies nicht zweimal sagen. Anstatt sechzehn, waren es nun achtzehn Hände, welche sich bestrebten, den Inhalt der Schüssel verschwinden zu lassen. Dazu gab es einen Trunk kalten Wassers.
Als die letzte Kartoffel verzehrt war, erhob sich der Weber und sagte, ganz wie vorher:
„Wir wollen beten!“
Sie falteten alle die Hände, und der Hausvater begann:
„Wir danken Dir, Herr Jesus Christ, daß Du unser Gast gewesen bist!“
Und daran fügte er die Strophen:
„Nun, wir sind auch diesmal satt,
Da uns Gott vergnügt gespeiset
Und vergnügt
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