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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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goldenen Buchstaben zu lesen war: ‚Der Herr behüte dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus!‘ Und an der Tür stand auf einem Porzellanschilde geschrieben: ‚Seidelmann und Sohn‘.
    Als draußen auf dem Schacht das Schichtzeichen erklungen war, hatte auch hier im Städtchen der Küster die Glocke in Bewegung gesetzt, damit die Einwohner wissen sollten, daß es Mittag sei. Das war so alter Brauch: Mittags zwölf Uhr wurde mit der kleinen Glocke geläutet.
    Dieses Geläute unterbrach das scharfe, taktmäßige Geräusch der Webstühle, welches vom frühesten Morgen an aus den Wohnungen der armen Weber heraus in das Schneegestöber erklungen war.
    Die Tür eines Häuschens öffnete sich. Ein Mädchen, welches in jeder Hand eine Wasserkanne hielt, wollte heraustreten, fuhr aber erschrocken zurück, als ein scharfer Windstoß ihr eine ganze Wolke von Schnee entgegentrieb.
    In demselben Augenblick wurde die Tür des Nachbarhäuschens aufgestoßen, und ein junger Bursche sprang herbei.
    „Grüß Gott, Engelchen!“ sagte er. „Du willst an den Brunnen?“
    „Ja, Eduard“, antwortete sie.
    „Das ist nichts für dich! Gib mir die Kannen!“
    Er nahm ihr die beiden Gefäße aus den Händen und eilte fort, um an ihrer Stelle das Wasser zu holen. Sie zog sich zum Schutz hinter die Tür zurück, hielt dieselbe aber ein wenig geöffnet, um dem gefälligen Nachbarssohn nachblicken zu können.
    „Eine gute, liebe Seele, der Eduard!“ sagte sie zu sich selbst. „Kaum stehe ich unter der Tür, so ist er auch bereits da. Er hat mich von seinem Webstuhl aus gesehen.“
    Er hatte sie ‚Engelchen‘ genannt. Das ist ein Diminutiv von Angelika, welcher Name zu Deutsch nämlich Engel bedeutet. Das Mädchen war vielleicht achtzehn Jahre alt. Ihre Kleidung war einfach und außerordentlich sauber. Der rote Flanellrock reichte ihr kaum weiter als bis zur Hälfte der Waden, so daß man das kleine, aber doch kräftig gebaute Füßchen ganz erblicken konnte. Die Winterjacke, welche sie angelegt hatte, war vorn um ein kleines geöffnet und ließ eine schlanke Taille vermuten, welche eine schöne, volle Büste zu tragen hatte. Das Gesichtchen war frisch und rosig. Angelika war schön, schöner als manche Dame, welcher es gegraut hätte, den Fuß in eine solche Gebirgshütte zu setzen.
    Da kam der Bursche mit den gefüllten Kannen zurück. Sie schob die Tür weit auf und sagte:
    „Komm herein, Eduard! Da draußen kannst du heute die Kannen nicht absetzen.“
    Er gehorchte und rieb sich dann pustend die Hände.
    „Das ist ein schlimmes Wetter“, meinte er. „Wenn es so fortmacht, werden wir fast nicht mehr auf die Straße gehen können.“
    „Und doch kommst du herüber, um mir Wasser zu holen! Ich danke dir, du Guter!“
    Sie reichte ihm die Rechte, welche er nahm, um sie herzhaft zu drücken. Dabei antwortete er:
    „Oh, Nachbarsleute müssen einander aushelfen. Da ist gar nichts dabei zu sagen.“
    „Aber du bist aus der Arbeit gegangen!“
    „Nur diese Minute. Das hole ich schnell ein.“
    „Und hast's doch so notwendig!“ fügte sie hinzu.
    „Woher weißt du das, Engelchen?“
    „Ah, denkst du etwa, ich habe nicht gehört, daß du die ganze Nacht hindurch gearbeitet hast?“
    Er nickte leise, und dabei nahm sein hübsches, offenes Gesicht einen trüben Ausdruck an.
    „Es mußte sein, Engelchen; ich muß ja heute in der Dämmerung fertig werden. Du weißt, daß der Vater jetzt in vierzehn Tagen nur ein Stück fertigbringt, und darum hatte ich drei zu machen.“
    „Drei?“ fragte sie erstaunt. „Das bringt kein Mensch!“
    „Ja, es ist fast zuviel, drei Stück, ein jedes zu zweiundsiebzig Ellen; aber ich habe es doch gebracht!“
    „Du wirst dich krankarbeiten! Warum mußt du denn eigentlich so viel bringen, Eduard?“
    „Weil wir viel Geld brauchen. Der Seidelmann hat dem Vater das Geld gekündigt.“
    „Herrgott, ist's möglich!“ rief sie aus. „Der reiche Krösus braucht es doch gar nicht!“
    „Das wissen wir wohl; aber wir können es doch nicht ändern. Er sagte, daß er jetzt im Geschäft sehr viel verloren habe, so daß er alle außenstehenden Gelder einziehen müsse.“
    „Das glaube ich nicht. Vielleicht hat er einen anderen Grund!“
    Eduards Gesicht nahm für einen Augenblick eine dunklere Farbe an. Er antwortete, sichtlich zurückhaltend:
    „Das ist freilich möglich!“
    „Kannst du es dir denken?“
    „Vielleicht kann ich es erraten.“
    „Was ist's? Sage es mir!“
    „Jetzt nicht;

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